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X. Die neuste Dichtung.
Lang und hager in Gold und Seide.
Das Ordensband über dem Marschallkleide,
Hat er im Schlosse Tag und Nacht
Seines Königs Majestät bewacht.
Sein Ohm war Marschall, sein Vater dann,
Er als dritter den Stab gewann.
.Alt seine Treue wie sein Geschlecht —
Graf Königstein diente dem Könige recht.
Durch die Marmorsäle schritt er einher,
Sein Fuß so leicht, sein Herz so schwer,
Vom König sein Degen, dem König sein Sinn,
— Sein Herz, sein Herz der Königin.
Er hat keinen Schritt, keinen Blick gewagt,
Er hat kein einziges Wort gesagt.
Aber eines Tages, — die Sonne schien heiß,
Und die Sonne weiß vieles, was ich nicht weiß,
Aber eines Tages, er ging in das Tor,
Und die Königswache stand davor,
Er ging in seines Fürsten Haus, —
Niemals kam er wieder heraus.
Es schwieg der König, nichts wußte der Troß
Und nichts die Wache vorm Königsschloß. —
Der Älteste des Hauses, im Schlosse Neu-Prag
Rief das Geschlecht zum Familientag.
Da kamen und saßen in Hall' und Saal
Der von Ulenhang und der Erotendal,
Der vom Rhein und der von Sassenfähre,
Ratschlagten, was zu beginnen wäre.
Und Assa Königstein, der junge,
Begann in zornigem Überschwünge:
„Die Neuenburger hassen wie wir
Den König, und sie vertrauen dir.
Sie sagen, der König hätt' es getan,
Sie wollen im Streite bei uns stahn.
Seit wann ist edeles Blut so gering,
Daß man es schlachtet ohn' Spruch und Thing?