Full text: Deutsches Lesebuch für die mittleren Klassen und die Secunda höherer Lehranstalten

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Partei Mutlosigkeit. Da gewinnt sie mit letzter zusammengefaßter Kraft 
die blutige Schlacht bei Nördlingen. 
Es folgt die dritte Periode (1634—1648), vierzehn Jahre, in denen 
Sieg und Niederlage auf beiden Seiten sich fast ausgleichen. Die Schweden 
an das Nordmeer zurückgedrängt, stürmen, alle Kraft anspannend, noch ein¬ 
mal bis über die Mitte Deutschlands vor, wieder fluten die Glückswellcn 
hin und her, aber kürzer, kraftloser. Die Franzosen breiten sich beutegierig 
am Rhein aus, das Land verödet, Hunger und Pest wüthen. Den Schweden 
wird ein Feldherr nach dem andern abgenutzt, mit unendlicher Hartnäckigkeit 
halten sie das Feld, und ihre Ansprüche fest. Ihnen gegenüber steht ebenso 
unerschütterlich der Ligafürst Maximilian, noch in dem letzten Decennium des 
Krieges kämpfen die Baiern drei Jahre lang die ruhmvollsten Feldzüge, welche 
diese Dynastie aufzuweisen hat. Ferdinand II. ist gestorben, sein Nachfolger, 
klüger und maßvoller, ein erprobter Kriegsmann, hält aus, weil er muß, 
auch er zäh und dauerhaft. Keine Partei vermag mehr eine Entscheidung 
herbeizuführen. Jahrelang wird über den Frieden verhandelt, während die 
Feldherrn schlagen, Dörfer und Städte leer werden, wildes Unkraut aus 
den Aeckern wuchert. Zuletzt kommt der Friede, in dem fast Alle ihre An¬ 
sprüche beschränken, er kommt nicht vorzugsweise durch große Schlachten, nicht 
durch unwiderstehliche politische Combinationen, sondern zumeist durch eine 
allgemeine Ermattung der Kämpfenden. Nicht im Verhältniß groß sind die 
Besitzveränderungen, nlrr die Fremden haben sich eingedrängt, und Land und 
Volk sind verwüstet. Deutschland, welches den Frieden festlich begeht, hat 
drei Viertheile seiner Bevölkerung verloren. 
Alles dies gibt dem dreißigjährigen Kriege das Aussehen eines Zerstörungs¬ 
processes, wie er wohl bei furchtbaren Naturereignissen eintritt. Ueber dem 
Hader der Parteien regt seine Flügel ein schreckliches Schicksal, es erhebt die 
Führer und wirft sie in den blutigen Staub, die größte menschliche Kraft 
wird wirkungslos unter seiner Hand, zuletzt wendet es, von Mord und Leichen 
gesättigt, sein Antlitz langsam ab von dem Lande, das zu einem großen Leichen¬ 
felde geworden ist. 
32. Die Schlacht bei Lützen. 
(Von Friedr. v. Schiller.) 
Die gespannten Erwartungen Europa's, die man im Lager vor Nürnberg 
hinterging, sollten in den Ebenen Lützens befriedigt werden. Zwei solche 
Feldherrn, so gleich an Ansehen, an Ruhm und an Fähigkeit, hatten im ganzen 
Laufe dieses Krieges noch in keiner offenbaren Schlacht ihre Kräfte gemessen. 
Endlich erscheint der gefürchtete Morgen; aber ein undurchdringlicher 
Nebel, der über das ganze Schlachtfeld verbreitet liegt, verzögert den Angriff 
noch bis zur Mittagsstunde. Vor der Fronte knieend, hält der König seine 
Andacht; die ganze Armee, auf die Kniee hingestürzt, stimmt zu gleicher Zeit 
kin rührendes Lied an, und die Feldmusik begleitet den Gesang. Dann steigt 
ber König stl Pferde, und blos mit einem ledernen Koller und einem Tuchrock 
bekleidet (eine vormals empfangene Wunde erlaubte ihm nicht mehr, den 
Harnisch zu tragen), durchreitet er die Glieder, den Muth der Truppen zu 
einer frohen Zuversicht zu entflammen, die sein eigener ahnungsvoller Busen 
^erlaugnet. „Gott mit uns!" war das Wort der Schweden; das der 
Kaiserlichen: „Jesus Maria." Gegen eilf Uhr fängt der Nebel an, sich 
iu zertheilen, und der Feind wird sichtbar. Zugleich sieht man Lützen in
	        
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