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Majestätisch impönirend liegt auf der linken Seite des Arno die mächtige
FelsenLurg des stolzen Pitti, die ein Bürgersmann 1440, den prachtliebenden
Medicäern zum Trotze, aus ungeglätteten Felsenstücken aufthürmte, aber den¬
selben doch die Vollendung überlassen mußte, die dem Riesenwerke den Namen
Pitti ließen. Die Galerie Pitti liegt im rechten Flügel der weiten Felsen¬
burg, aus der man, wie von einem Thron herab, einen herrlichen Ueberblick
auf Stadt und Land erlangt. Der Palast (Residenz der Großherzöge von
Toscana, später des Königs von Italien), welcher seine Umgebung beherrscht,
wird von dem Garten Boboli beherrscht mit seinen weiten Baumreihen, mit
seinen Rasenplätzen und Marmorstatuen, mit dem Belvedere, das seine Höhen
krönt. Einen eigenthümlichen Reichthum des storentinischen Herrscherhauses
machen die Zimmergeräthe aus xiewL äura, einem Florenz speziell angehö¬
renden Kunstzweig. Die Tische mit den Frucht- und Blumenguirlanden, mit
den Muscheln und Perlenschnüren auf dem milden Lapis lazzuli, die hohen
Renaissanceschränkchen, die gleich kleinen Burgen oder Tempelchen von all den
Wunderfarben glänzen, die die Natur auf ihr Gestein gehaucht hat, all dies
Detail, kunstvoll mit jahrelanger Mühe vereinigt, hat wohl ein fürstliches
Ansehen. Die Krone alles bis jetzt Geleisteten ist der nach 20jähriger Arbeit
vollendete Musentisch; er zeigt dem staunenden Beschauer in der Mitte den
siegenden Phöbus; Rosse und Lenker sind meisterhaft gezeichnet und schattirt.
Als Einfassung dieses Bildes duften gelbrothe Rosenguirlanden, zwischen deren
zarter Blumenfülle sich die sinnreichen Attribute der den Götterfunken des
Genius austheilenden Musen zeigen.
Zur Rechten des Flusses liegt das Herz der Stadt, der Sitz der übrigen
Paläste, der Kunstdenkmäler und der Kirchen. Unter den letzteren ragt der
Dom, ein reines, edles Werk italienischer Baukunst, mit seiner über dem
Hochaltar sich erhebenden hohen und breiten Himmelskuppel hervor. Thurm
und Außenwände sind mit dem feinsten Marmor in reichen Farben übergössen,
die ein erhabenes, freundliches Bild geben, welches vollendet wäre, wenn
nicht die architektonische Bekleidung der Fa^ade fehlte, die herabgerissen wurde,
um einer modernen, nie zu Stande gekommenen Platz zu machen. Das Innere
ist weit und erhaben, majestätisch einfach; fast alle Altäre sind hinausgeschafft,
so daß sich die ungetheilte Aufmerksamkeit auf den Hauptaltar lenkt, über
welchem sich das letzte Gericht mit seinen zahlreichen Gestalten und Gruppen
wölbt, während der Altar selbst durch das von schönen Glasmalereien ge-
henunte Licht in ein geheimnißvolles Halbdunkel gehüllt ist. Vor dem Dome
befindet sich, wie in Pisa, die Taufkirche, das Battisterio, dessen Außen¬
wände ebenfalls mit verschiedenfarbigen Marmorplatten überzogen sind; der
Hauptschmuck desselben sind jedoch seine schön gearbeiteten Bronzethüren, 'welche
in Basreliefs, zwischen den reichsten und geschmackvollsten Ornamenten, Scenen
aus der Bibel darstellen. Michel Angelo sagte, daß sie würdig seien, die
Thore des Paradieses zu heißen.
Ein ungeheuer langer, unregelmäßiger Corridor führt durch einen Theil
der Stadt über Dächer, dann über den Arno auf dem Ponto vecchio mit
einem Doppelblick auf den Lauf des Flusses, aus dem Palazzo Pitti in die
Uffizi, ein Staatsgebäude in alt-italienischem Stil, auf Arcadengängen
ruhend, welche Statuen berühmter Toscaner zieren, unter ihnen die des Cosimo
Medici, des Erbauers dieses stattlichen, regelmäßigen Palastes. Die Familie
Medicis, diese Schöpfer der schönsten und letzten Kunstperiode auf antikem
Grunde, bietet nebst Venedig das einzige Beispiel in der Geschichte, daß
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