Reisen wir in ein fremdes Land, so tritt uns daselbst meist eine
vollkommen fremdartige Pflanzenwelt entgegen. Je mehr wir uns dem
Pole nähern, desto dürftiger wird der Pflanzenwuchs, um wie auf dem
Gipfel des Alpenberges endlich ganz aufzuhören. Lenken wir unsre
Schritte aber nach Süden, so beobachten wir das Gegenteil: in den
sonnigen Ländern um das Mittelmeer treffen wir auf Orange, Zitrone,
Olive und Feige; je näher wir dem Gleicher kommen, desto häufiger
werden die stolzen Gestalten der Palmen, tropischer Urwald mit einer
Fülle fremder Formen und einem ungeahnten Reichtum an Blüten
und Farben bedeckt weithin den Boden, und in den wüsten Öden und
Steppen treten uns in der Gesellschaft andrer Trockenlandgewächse selt¬
same Fettpflanzen entgegen; kurz, die Pflanzendecke der Erde zeigt in
den einzelnen Ländern, Erdteilen und Zonen oft außerordentliche Ver¬
schiedenheit.
Wie unsre kurze Betrachtung schon zeigt, ist diese Verschiedenheit
in erster Linie durch das Klima, also durch Wärme und Feuchtigkeit
bedingt. Da sich jedoch in Ländern mit demselben oder mit ähnlichem
Klima, z. B. im Mittelmeergebiete und Kaplande, durchaus nicht immer
dieselben Pflanzenarten, -gattungen und -familien finden, kann das
Klima auch nicht allein ausschlaggebend sein.
2.
Eine wichtige Rolle spielen bei der Verbreitung der Pflanzen über
den Erdball die Veränderungen, die das einzelne Gebiet in früheren
Zeiträumen erfahren hat. So sind ans der Eiszeit, in der ein großer
Teil Mitteleuropas von gewaltigen Gletschern bedeckt war, zahlreiche
Pflanzen erhalten geblieben, die wir heute noch auf den höchsten Er¬
hebungen unsrer Mittelgebirge sowie in den Alpen antreffen.
Ein andrer Umstand, der hierbei beachtet werden muß, ist die
Verbreitungsfähigkeit der Pflanzen. So haben sich das kanadische Be-
rnfskraut und die Wasserpest bei uns vollkommen heimisch gemacht, und
das Frühlings-Kreuzkraut ist infolge der vortrefflichen Flugausrüstung
seiner Früchte immer weiter nach Westen vorgedrungen.
Endlich ist auch der Einfluß, den der Mensch auf die Natur aus¬
übt, für die Zusantmensetzung der Pflanzenwelt in den einzelnen Be¬
zirken von größter Wichtigkeit. Aus fernen Zonen und Ländern fiihrt
er zahlreiche Nutzpflanzen ein, die die heimischen Gewächse vielfach ver¬
drängen. Man denke nur an die riesigeit Flächen, die mit Getreide
bestellt und auf denen die „eingebornen" Unkräuter nach Kräften unter'
drückt werden. Mehrere der angebauten Pflanzen entziehen sich wieder
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