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Gmanuet Geibel.
die unentbehrlichen, das Leben berührenden Gegenstände des Unterrichts
haben Wert für ihn. Statt „Geschichte des kur- und fürstlichen Hauses
Brandenburg" will er nur von preußischer Historie hören; Staatenkunde,
verbunden mit Geographie, soll der Prinz lernen, die Landkarte in der
Hand, und eine vollkommene Fertigkeit im Rechnen erwerben. Mit metho¬
discher Grammatik soll man seinen Sohn nicht plagen, schon genug, wenn
er sich durch Übung einen fließenden französischen und deutschen Stil
aneignet.
Und ftagen wir nun weiter, worauf die Erziehung des Prinzen sich
richten sollte, so ist das dreierlei.
Wie seine Gouverneure zwei ausgezeichnete Kriegsmänner sind, so soll
er hauptsächlich mit Offizieren umgehen, Begierde zu Ruhm und Bravour,
Liebe zu den Soldaten fassen; man soll ihm auf das nachdrücklichste ein¬
prägen, daß er ein verachteter Mensch wäre, wenn er nicht ein Soldat würde.
Das zweite: man soll einen guten Wirt aus ihm machen; gegen
Pracht und überflüssigen Aufwand, noch mehr gegen Spiel und jede
Art der Verschwendung soll und muß man ihm Ekel beibringen.
Endlich soll er ein guter evangelischer Christ werden.
Der Prinz soll sich früh und rasch erheben, sogleich ein kleines Gebet
auf den Knieen sprechen; nachdem er sich hurtig angezogen und in wenig
Minuten Thee und Frühstück eingenommen, wird in Gegenwart aller Diener
ein großes Gebet auf den Knieen gehalten, ein Kapitel aus der Bibel ge¬
lesen, ein gutes Lied mit lauter Stimme gesungen; die Fechtstunde wechselt
ab mit Information in der Religion. Sonst geht der Prinz alle Morgen
mit dem König nach der Parade; Sonntags marschiert er an der Spitze
seiner Kompagnie mit ihm nach der Kirche.
Es leuchtet ein, daß es Friedrich Wilhelm nicht auf eine freie Aus¬
bildung angeborener Geistesgaben, noch auf die Aneignung allgemeiner
Kultur absah: Erziehung und Unterricht hatten bei ihm ein bestimmt vor¬
gestecktes Ziel; er wollte einen Mann aus seinem Sohne machen, wie er
selber einer war.
Lmanuel Heiüel.
Gesammelte Werke. Stuttgart. 1883. I. G. Cotta.
130. Türmerlied.
1. Wachet aus? ruft euch die Stimme
Des Wächters von der hohen Zinne,
Wach auf, du weites deutsches Land!
Die ihr an der Donau haniet.