Die deutsche Kriegsflotte.
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allzeit treue Grenzwacht hält, auch eine tatkräftige Flotte auf allen
Moͤeren die deutschen Interessen zu wahren, die ausgewanderten
Söhne, die erworbenen überfeeischen Gebiete zu schützen vermag,
so ist das vor allem das Werk Wilhelms II. Zu deutscher Kraft
und Energie gesellt sich bei unserem erhabenen Kaiser aufrichtige
Frömmigkẽit und inniges Gottvertrauen. Dies hat er durch seine
Reise nach den geheiligten Stätten Palästinas im Jahre 1898 vor
aller Welt kundgegeben. Die Einweihung der evangelischen Er⸗
löserkirche und die Schenkung der Dormition an die deutschen Ka⸗
tholiken bewiesen aufs trefflichste, wie sein Herz in gleicher Liebe
für alle seine Untertanen schlägt. Dr. Keller.
227. Die deutsche Kriegsflotte.
Mit der Einigung der deutschen Stämme und der Besiegung
Frankreichs 18707 war Deutschland zur ersten Landmacht Euro⸗—
pas geworden. Gleichzeitig begann auch ein ungeahnter Aufschwung
des wirtschaftlichen Lebens unseres Vaterlandes. Die Maschine hielt
ihren Einzug auf allen Gebieten von Gewerbe und Industrie und
brachte seit dieser Zeit ein derartiges Wachstum an Erzeugnissen
aller Art, daß Deutschland gegenwärtig nicht mehr bestehen kann,
venn es nicht den Überschuß seiner Produkte im Auslande abzu—
setzen vermag. Zwar hatte seit drei Jahrzehnten der deutsche Han—
del im europäischen Festlande einen starken Rückhalt; aber die nahe
gelegenen Absatzgebiete genügten nicht mehr; zudem begannen
diefse Abnehmer auf vielen Gebieten das selbst zu erzeugen,
was sie vorher einführen mußten. Darum sah sich der deutsche
Kaufmann gezwungen in ausgedehntem Maße überseeische Han—
delsmärkte zu erschließen und hier traf er allenthalben auf ein—
gebürgerte, leistungsfähige und mächtige Wettbewerber. Es galt
hauptfächlich mit England in friedlichem Wettstreite um die Palme
des Sieges zu ringen, mit einem Handels- und Industriestaate, wie
ihn die Welt bisher nicht gekannt hat, gestützt durch eine Seemacht,
die die Meere beherrscht und den verbündeten Kriegsflotten aller
anderen Staaten die Stirn zu bieten vermag. Zu aller deutschen
Leistungsfähigkeit und Geschicklichkeit mußte da noch das Bewußt—
sein kommen, daß die Macht des Deutschen Reiches unsere Rechte
zu sichern vermag.
In überseeischen Gebieten kann aber nur eine Kriegsflotte ge—
rechten Ansprüchen Kraft und Nachdruck verleihen. Darum war schon
zwei Jahrzehnte nach Errichtung des neuen Deutschen Reiches der
Ausbau seiner Seemacht zu einem unabweisbaren Bedürfnis gewor—
den und gegenwärtig kann unser Vaterland ohne Welthandel mit einer
Kriegsflotte als Rückhalt nicht mehr bestehen. Gar mannigfaltig
sind unsere Beziehungen zu fremden Ländern; zahlreiche Produkte
und Lebensmittel, die der heimische Boden gar nicht oder in nicht
genügender Menge hervorbringt, beziehen wir vom Auslande, wel⸗
ches pon uns wiederum mit Erzeugnissen unseres d, Werk—
eugen und Maschinen versehen wird. Die Bewältigung des Ver—