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Voß.
Wohl durch den grünen Wald.
Buchsbaum, wie gefällt dir das?"
10. Der Buchsbaum sprach: „Bin ich so fein,
Aus mir macht man die Pfeifelein,
Auf mir pfeift mancher gute Gesell
Im Feld wohl in den Kriegen.
Felbinger, wie gefällt dir das?"
11. Der Felbinger sprach: „Bin ich so drat,
Ich steh' dort mitten in der Matt
Und halt' ob einem Brünnlein kalt,
Daraus zwei Herzlieb trinken.
Buchsbaum, wie gefällt dir das?"
iS. Der Buchsbaum sprach: „Bist du so gerecht,
So bist du mein Herr und ich dein Knecht,
Der Sach geb' ich dir alles Recht,
Das Spiel hast du gewonnen."
Leser, wie gefällt dir das?
Wunderhorn, II, S. 31 ff.
Johann Heinrich Votz.
478. Der siebzigste Geburtstag.
Auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens
Saß der redliche Tamm in dem Lehnstuhl, welcher mit Schnitzwerk
Und braunnarbigem Jucht voll schwellender Haare geziert war.
Tamm, seit vierzig Jahren in Stolp, dem gesegneten Freidorf,
5 Organist, Schulmeister zugleich und ehrsamer Küster,
Der fast allen im Dorf bis auf wenige Greise der Vorzeit
Einst Taufwasser gereicht und Sitte gelehrt und Erkenntnis,
Dann zur Trauung gespielt und hinweg schon manchen gesungen.
Oft nun faltend die Händ' und oft mit lauterem Murmeln
io Las er die tröstenden Sprüch' und Ermahnungen; aber allmählich
Starrte sein Blick, und er sank in erquickenden Mittagsschlummer.
Festlich prangte der Greis in gestreifter kalmankener *) Jacke;
Und bei entglittener Brill' und silberfarbenem Haupthaar
Lag auf dem Buche die Mütze von violettenem Sammet,
i5 Mit Fuchspelze verbrämt und geschmückt mit goldener Troddel.
Denn er feierte heute den siebzigsten frohen Geburtstag,
Froh des erlebeten Heils. Sein einziger Sohn Zacharias,
') Kalmank = gestreiftes Wollenzeug.