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Ansicht von Nürnbergs Burg, und die Kanone, die einen interessanten
technischen Versuch als Eisenätzung bedeutet. Daneben wurden Wappen,
Bücherzeichen und Buchillustrationen gezeichnet, für die der Künstler oft
wohl nur eine kleine Anleitung oder einen flüchtigen Entwurf lieferte,
während die Ausführung Gehilfen überlassen war. So müssen von
ihm auch die Entwürfe zum pfintzingschen Glassenster der Sebaldus-
kirche, das die Jahreszahl 1515 trägt, stammen.
Der Lohn für die Arbeit an des Kaisers Werken blieb nicht aus;
neben der Anweisung auf eine einmalige Summe, die er freilich nie
ausbezahlt erhielt, wurde ihm ein Leibgeding von 100 Gulden jährlich
ausgesetzt. Als nun der Kaiser im Jahre 1519 starb, mochte die Fort¬
setzung der Nente in Frage stehen, und dies war wohl mit ein Grund,
weshalb Dürer sich im Jahre 1520 aufmachte zur Reife in die Nieder¬
lande, um des neuen Kaisers Bestätigung hierfür zu erhalten. Den
Main und Nhein hinunter geht der Weg über Köln und Aachen nach
Antwerpen, und von da aus lernt er einen großen Teil der Nieder¬
lande kennen. Wie auf der italienischen Neise seine Briefe, so geben
uns hier seine Aufzeichnungen in Tagebuchform Nachricht von dem,
was ihn interessiert und bewegt. Da sehen wir, daß der Künstler mit
offenen Augen das rege Treiben, das ihn umgibt, beobachtet und
bemüht ist, die neuen Eindrücke in sich aufzunehmen. Er hat Ge¬
legenheit, den prächtigen Einzug des Kaisers in Antwerpen. zu be¬
wundern, von Künstlern, ja von der Statthalterin wird er als der
berühmte Mann gefeiert. Man lädt ihn zu Festlichkeiten ein, schickt
ihm und seiner Frau Geschenke, überall sieht er seine Person umworben.
Zahlreich sind die Aufträge für Porträts, die an ihn ergehen, breite
Kohle- und Kreidezeichnungen, flüchtige Skizzen und Studien, bekannt
unter dem Namen des „Niederländischen Skizzenbuches", geben uns
heute noch von seiner Tätigkeit Kunde.
Ein Jahr währte die Neise, und mit der Bestätigung seines Leib-
gedings in der Tasche kehrte Dürer im Juli 1521 nach Nürnberg
zurück. Auch jetzt hatte die Fremde nicht vermocht, ihn dauernd zu
halten. Aber zu neuem Schaffen hatten ihn die vielen Eindrücke an¬
geregt. Namentlich das Porträt beschäftigte ihn lebhaft, und wir sehen,
wie er fern von allem Konventionellen und Gezwungenen in die Seele
des Menschen zu dringen vermag und frei von den äußerlichen Zu¬
fälligkeiten der Umgebung das Tharakteristische der Persönlichkeit
erfaßt. Sn wenige, einfache Farben sind seine Männer gekleidet,
den Grundton gibt neben dem dunklen Hintergrund die pelzbesetzte
Schaube an.
Zn regem Verkehr mit den großen Männern seiner Zeit verliefen
dem Künstler die folgenden Jahre. Erasmus von Notterdam hatte er
in den Niederlanden kennen gelernt und gemalt. Auch zu den Ne-
formatoren stand er in nahen Beziehungen, und namentlich Melanchthon