20 -Das Mittelalter. Erste Periode, bis etwa 800.
Umkehren und Stehenbleiben wurde durch nachdrängende Völker unmöglich
gemacht, und das leichte, aus Holz gebaute Wohnhaus erleichterte das
Wandern von Ort zu Ort. Aber die Zunahme der Bevölkerung trieb
dazu, den Boden nachhaltig auszunutzen, und zwang so zu einem seßhaften
Leben. Allmählich vereinigten sich nun die Stämme auf friedlichem Wege,
oft gewiß auch, indem der schwächere dem stärkeren unterlag. Ob auch
das Gefühl, vereint stärker zu sein, dazu beigetragen hat, ist ungewiß.
Im dritten und vierten Jahrhundert treten die Germanen in der folgen¬
den, neuen Ordnung auf.
Die Goten stammten nach ihrer alten Sage von der Insel Skanz,
d. i. Män?rnavien; sie zogen über das Baltische Meer an die 'Weichsel-
müninmgen, 'imTlne benachbarten Stämme sich ihnen anschlossen. Nach
Südosten breiteten sie sich bis zum Schwarzen Meer aus, der Dniestr
schied sie in Ost- und Westgoten: östlich von ihnen zwischen Don und
Wolga saßen die Alanen. Im dritten Jahrhundert machten die Goten
große Plünderungszüge in die östlichen Teile des Römerreichs, auf.denen
sie bis Asien vordrangen. Im vierten Jahrhundert versuchte der Ost¬
gotenkönig Ermanarich, die Goten und die mit ihnen verbundenen Völker
zu einem geordneten Staate zusammenzuschließen. Um dieselbe Zeit wurde
den Goten durch römische Kriegsgefangene das Christentum nach arianischem
Bekenntnis gebracht. Der hochbegabte westgotische Bischof U5frlas (±1.381)
schuf eine gotische BuMtabenschrift und übersetzte die Bibel in die Sprache
seines Volkes.
In Westgermanien lebten an der Nordsee in ihren alten Sitzen die
priesen; südlich von ihnen zwischen Harz und Nordsee, Rhein und Elbe
füllten die norddeutsche Tiefebene die JSßchj en. Ohne Königsherrschaft
lebten sie in ihrer alten germanischen Gauverfassung. Am Mittel- und
Niederrhein traten die Franken auf, eine Verbindung dortiger Stämme.
Franken, Sachsen und Friesen waren gefürchtete Seeräuber, die auf ihren
leichten Fahrzeugen die benachbarten Küsten heimsuchten, ja bis Spanien
und Sizilien plünderten.
In den Alamannen scheinen zahlreiche suevische Stämme zusammen¬
gefaßt zu sein. Bald mußten die Römer ihnen das Zehntland überlassen,
in dessen Gebiete oder Nähe ihre Nachkommen, die Schwaben, als Elsässer,
Badenser, deutsche Schweizer, Württemberger und schwäbische Bayern noch
heute wohnen. Feindliche Einfälle in das römische Reich führten sie nicht
selten nach Gallien und Oberitalien. Aus den Hermunduren und anderen
Stämmen entstanden die Lbürinaer. die unter einem Könige im fünften
Jahrhundert die Mitte Deutschlands zwischen Harz, Saale und Böhmer¬
wald einnahmen. Zwischen ihnen und den Alamannen am oberen Main
saßen die Burgundionen, die diesem Strome folgten und bis Worms
vordrangen.