sie zu der Stätte geschleppt, die ihrer Schuld gebührt. So aber die
Seele rein und gemessen durch das Leben gegangen ist, hat sie die Götter
zu Gefährten und Führern und bewohnt das Reich, das ihrer Tugend
verheißen ist. Und es gibt viele und herrliche Reiche und Räume auf
der Erde und, soweit ich mich von einem Weisen unterrichten ließ, ist
diese Erde an Gestalt und Größe doch ganz anders als die meinen, die
gewöhnlich darüber schreiben.
Simmias: Wie meinst du das, Sokrates? Auch ich habe schon
viel über die Erde gehört, doch möchte ich sehr gern hören, was du
von ihr glaubst.
Sokrates: Nun, man braucht wohl kein Künstler wie Glaukos zu
sein, Simmias, um zu schildern, wie die Erde ist. Ob aber meine Schil¬
derung wahr sei, das zu wissen geht wohl auch über des Glaukos Kunst;
ich dürfte mich also dazu nicht eignen; ja selbst, wenn ich es verstünde,
vermöchte die kurze Stunde, die das Leben mir oft schenkt, kaum diesen
großen Gegenstand zu erschöpfen. Doch von der Gestalt der Erde,
soweit ich mich darüber belehren ließ, und von ihren vielen Reichen darf
ich wohl noch zu euch reden.
Simmias: Aber das soll uns auch genügen, Sokrates.
Sokrates: Ich habe mir erzählen lassen zunächst, daß, wenn die
Erde wirklich eine Kugel ist mitten im Himmel, sie weder die Luft noch
sonst eine Stühe braucht, um nicht zu fallen, daß vielmehr die gleich¬
mäßige Bildung des Himmels und das Gleichgewicht der Erde ge¬
nügten, diese zu hallen. Denn sehet, ein Ding im Gleichgewicht inmitten
eines gleichmäßig Gebildeten wird keine Ursache haben, sich nach der
einen Seite mehr zu neigen als nach der andern; sich selber gleich, wird es
in derselben Lage verharren. Das habe ich also gleich zuerst darüber
gehört.
Simmias: Es mag wohl auch richtig sein.
Sokrates: Und dann ließ ich mir sagen, daß die Erde sehr groß sei,
und daß wir Menschen vom Phasis bis zu den Säulen des Herakles
einen sehr kleinen Teil der Erde bewohnten um das Meer herum, gleich
Ameisen und Fröschen um einen Sumpf, und daß andere zahllose Wesen
in andern ähnlichen zahllosen Räumen lebten. Denn überall um die
Erde herum gebe es viele Höhlungen verschieden an Gestalt und Größe,
in die das Wasser und der Nebel und die Luft fließen. Die Erde selbst
aber schwebe rein mitten im Himmel, allwo die Sterne leuchten. Die
meisten von denen, die sich mit diesen Dingen beschäftigen, nennen diesen