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Spanien, dem Lande des frömmsten Glaubens, schweift unser Blick,
vom eisigen Norden mit seinen finsteren Fechterscharen bis zum milden
Italien, wo inimer laue Lüfte um die Stadt des heiligen Petrus wehen,
werden wir geführt. Doch mit größter Vorliebe weilt unser Dichter
in den Ländern der Mitte, in Frankreich, wo die Provence als Wiege
des Minnesanges steht, und vor allem als deutscher Dichter in seinem
deutschen Vaterlande. Und hier wieder ist es die herrliche schwäbische
Heimat, die den Sänger vornehmlich anzieht, denn auch hier war einst
ein Saal des Gesanges.
Prächtige Königsschlösser und stolze Ritterburgen sind es zumeist,
die Uhlands Pinsel in seltener Meisterschaft mit klaren, reichen Farben
auszumalen versteht. Manches hohe und hehre Schloß erscheint vor
unserem Auge, das weit über die Lande erglänzt bis an das blaue Meer
und ringsum von blütenreichem Kranze duftiger Gärten umgeben ist,
in denen frische Blumen im Regenbogenglanze ihr Wasser spielen lassen.
Weithin strahlt die Umgebung in milder Sonne Glanz, ein grünend
fruchtbar Land, gewundene Täler, von Strömen schimmernd, herden¬
reiche Triften und jagdlustige Waldgebirge. Und hinweg von diesem
Bilde schweift unser Auge zu einem Gemälde ganz anderer, nicht minder
prächtiger Art, — zu des Münsters stolzem Bau, der „im goldenen
Lichte" glüht, das der dunkelblaue Himmel und die Sonne voll und
glühend um ihn gießt. Von hellen Wolken, Fittichen gleich, scheint er
emporgehoben zu werden bis in den seligen Himmel mit seines Turmes
Spitze, aus dem der Glocke wonnevoller Laut schüttelnd ertönt. Und
neben diesen Bildern stolzer Pracht erscheint in der Tiefe des Tales
ein stilles Kloster mit „abendlichem Geläute" oder im dichten Walde
eine schmucklose Kapelle „mit heiligem Altar". Wohin wir auch sonst
schauen, immer weiß der Dichter in zarter und schöner Weise alle Mittel,
die ihm zu Gebote stehen, vor allem die Schönheiten der Natur zu
benutzen, um seinen Bildern, selbst wenn sie eine wilde Schlacht darstellen,
die reichsten und mannigfaltigsten Farben mittelalterlicher Landschaft
und Umgebung aufzutragen.
Die Personen, die diesen Schauplatz beleben, sind Fürsten und
Ritter, doch auch Bürger und Bauern, Hirten und Jäger.
Unter den Fürsten hat Uhland vor allem die württembergischen
Grafen an das Licht gezogen; er läßt den alten Rauschebart aus seinem
Sarg im düstern Chor der Stiftskirche zu Stuttgart hervorbrechen, daß
seine hohe Gestalt durch Deutschland wandele. Und die Ritter reiten