Poesie.
Epische Dichtung.
1. Die Geschichte von dem Hule.
Von Christian Fürchtegott Gellert. ESchluß gekürzt.)
Der erste, der mit kluger Hand
der Männer Schmuck, den Hut erfand,
trug seinen Hut unaufgeschlagen,
die Krempen hingen flach herab.
Und dennoch wußt' er ihn zu tragen,
daß ihm der Hut ein Ansehn gab.
Er starb und ließ bei seinem Sterben
den runden Hut dem nächsten Erben.
Der Erbe weiß den runden Hut
10 nicht recht gemächlich anzugreifen;
er sinnt und wagt es kurz und gut,
er wagt's, zwo Krempen aufzusteifen.
Drauf läßt er sich dem Volke sehn:
das Volk bleibt vor Verwundrung stehn
15 und schreit: „Nun läßt der Hut erst schön!“
Er starb und ließ bei seinem Sterben
den aufgesteiften Hut dem Erben.
Der Erbe nimmt den Hut und schmält:
„Ich,“ spricht er, „sehe wohl, was fehlt.“
20 Er setzt darauf mit weisem Mute
die dritte Krempe zu dem Hute.
„O,“ rief das Volk, der hat Verstand!
Seht, was ein Sterblicher erfand!
Er, er erhöht sein Vaterland!“
Er starb und ließ bei seinem Sterben
den dreifach spitzen Hut dem Erben.
Der Hut war freilich nicht mehr rein;
doch sagt, wie konnt' es anders sein?
Er ging schon durch die vierten Hände.
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