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228 A. Europa.
1610. Die Regierung seines schwachen Sohnes und Nachfolgers
Ludwig XIII, war voll bürgerlicher Unruhen, welche der Ehrgeiz
seiner Mutter Maria von Medicis, der Großen des Reichs und
die Bedrückung der Protestanten hervorriefen. Das innere Glück
Frankreichs, durch Heinrich IV. und seinen großen Minister Sully
begründet, verfiel immer mehr und mehr, aber eine Reihe großer
> Minister erhoben dagegen die Macht Frankreichs auf deit Gipfel,
welchen sie unter Ludwig XIV. eine Zeitlang behauptete. Sully
hatte seine ganze Aufmerksamkeit auf den Ackerbau und die Finan,
zen gerichtet und durch Ordnung und weise Sparsamkeit das Land
erleichtert und bereichert. Der allmächtige Cardinal Richelieu un¬
ter Ludwig XIII. brachte durch Verschwendung und Kriege die
Finanzen zwar in Unordnung, aber seine Strenge und seine großen
Talente unterdrückten nicht nur die noch unruhigen Greffen, zer¬
trümmerten die Macht der Proteftanteu und begründeten aufs
neue die unumschränkte Macht der Könige, sondern stets darauf
bedacht, die Macht Oestreichs zu brechen, nahm er durch Geld und
Truppen einen thätigen Antheil an dem 60jahrigen Kriege, welcher
damals Deutschland verwüstete, und legte den ersten Grund zu dem
Vergrößerungssystem Frankreichs, welches sich unter Ludwig XIV.
vollkommen ausbildete. Die Regierung Ludwigs XI V. 1643—
1715 ist als das Zeitalter des höchsten Glanzes für Frankreich be-
rühlnt, aber nur der geringste Theil des Verdienstes fallt davon auf
ihn selbst zurück. Er herrschte unumschränkt und ohne Widerstand
zu finden, aber Richelieu hatte die Macht der Könige begründet,
und Mazarin, welcher bis 1661 das Staatsruder führte, sie be¬
festigt. Seine Armeen erfochten glänzende Siege, aber nur so
lange, als Conde und Turenne sie führten; die letzten Kriege lie¬
fen höchst unglücklich für Frankreich ab. Er hat Frankreich und
besonders Paris mit den schönsten Gebäuden und Denkmälern ver¬
ziert, aber 4500 Millionen Schulden hinterlassen. Künste und
Wissenschaften blühten unter ihm, wie nie vorher, er zog viel be¬
deutende Gelehrte und Dichter an seinen Hof, ja er ließ sogar aus¬
ländischen Gelehrten Pensionen zahlen; er selbst aber war höchst
unwissend und daher oft sehr ungeschickt in der Wahl derer, die
er begünstigte. Sein Zeitalter heißt das goldene der französischen
Litteratur, aber er selbst war so wenig gebildet, so sehr von Mai¬
tressen und Beichtvätern beherrscht, daß er 1685 das wohlthätige
Edict von Nantes aufhob und durch schändliche Verfolgung und
Grausamkeiten 50000 Familien der fleißigsten betriebsamsten seiner
Unterthanen zur Auswanderung zwang, welche unter dem Namen
Réfugiés in Deutschland, England und den Niederlanden mit offe¬
nen Armen aufgenommen wurden. Er hatte das Glück zu einer
Zeit zu leben, wo nach den Unruhen langer bürgerlicher Kriege
große Talente jeder Art emporgekommen und sich gebildet hatten;
diesen unendlich mehr als seinen persönlichen Eigenschaften verdankt