fullscreen: Lesebuch für die Oberklassen katholischer Volksschulen

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Saß müßig an dem Rocken stundenlang 
20 Tief in Gedanken still und seufzte bang. 
Da sprach der Mann: „Was fehlt dir nur, Marie?" 
Und als sie schwieg, drang er noch mehr in sie, 
Sie sollte ihm ihr Leiden doch gestehn, 
Er könne sie nicht mehr so traurig sehn. 
25 Und sie darauf: „Ach, in verwichner Nacht 
Hat mir ein Traum das Herz so schwer gemacht. 
Ja, bester Mann, ich will dir's nur gestehn, 
Ich hab' im Trauin den lieben Gott gesehn. 
Er lag im Sarg; sein Haar war silberweiß, 
30 Und weinend standen Engel rings im Kreis. 
Der Helfer starb, nie endet unsre Not, 
Der liebe Gott, der liebe Gott ist tot!" 
Da lächelte der Mann nach langer Zeit 
Zum ersten Mal und sprach mit Freundlichkeit: 
35 „Ei, ei, Marie, wie du so thöricht bist! 
Weißt du denn nicht, daß Gott unsterblich ist, 
Daß er, erhaben über Raum und Zeit, 
Regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit?" 
„Wie," sprach die Frau, „so glaubst du, lieber Manu, 
40 Daß Gott im Himmel niemals sterben kann, 
Daß er derselbe bleibet fort und fort, 
Und wählest ihn doch nicht zu deinem Hort 
Und setzest deine Hoffnung nicht auf ihn, 
Des Hilfe stets zur rechten Zeit erschien?" 
45 Da stel's wie Schuppen von des Mannes Geist. 
„Ja, Gott ist treu, er hält, was er verheißt! 
Dank, liebes Weib, du wecktest mein Vertrau'n, 
Auf Gottes Hilfe will ich freudig baun, 
Und zag' ich jemals wieder in der Not, 
50 Dann frag mich nur: Ist denn der Herrgott tot?" 
7. Die sonderbare Mauer. 
Mach Christoph von Schmid.) 
Die Leute eines einsamen Bauernhofes waren während eines 
Krieges in großen Ängsten. Besonders war eine Nacht für sie 
fürchterlich. Der Feind nahte sich der Gegend; der nächtliche 
Himmel war bald da, bald dort von Feuersbrünsten rot wie Blut. 
Zudem war es Winter und das Wetter sehr kalt und stürmisch. 
Die guten Leute fürchteten, ausgeplündert und jetzt, zur rauhesten 
Jahreszeit, von Haus und Hof verjagt zu werden.
	        
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