Full text: [Abteilung 4 = Für Unter-Tertia, [Schülerband]] (Abteilung 4 = Für Unter-Tertia, [Schülerband])

54 HI. Geschichtliche Darstellungen und Lebensbilder. 
Er sah sehr wohl ein, was not tue, daß namentlich die Mit¬ 
regierung eines in Lüsten untergehenden Senates, die Anmaßungen der 
Prätorianer, der Soldatendespotismus sallen müßten. Die Verwaltung 
und Verteidigung des unübersehbaren Reiches schienen ihm, bei den jetzt 
so veränderten Amständen, die Kräfte auch des Tüchtigsten zu über¬ 
steigen; darum nahm er in dem Maximianus einen Mitregenten an 
und gab ihm den Titel Augustus. In Maximian, der auch von geringer 
Lerkunst war, hatte er einen rohen, aber tapferen und ihm treu er¬ 
gebenen Freund, einen willigen Vollstrecker seiner Pläne, dem er, un¬ 
besorgt um Schwächung seines eigenen Ansehens, den mißlichen Kampf 
im Westen, die Beschützung Italiens und die Beaufsichtigung des un¬ 
ruhigen Roms auftragen durfte. 
Diokletian nahm alle Ehrenzeichen, welche der Osten seinen Mon¬ 
archen verstattet, an: er trug die weiße, perlenbesetzte Kopsbinde oder 
das Diadem, ging in Gold und Seide, selbst die Schuhe funkelten von 
Edelsteinen, ließ sich Lerr nennen und die orientalische sußfällige Ver¬ 
ehrung bezeigen. Er umgab sich mit einem Leere von Beamten, Lütern 
seiner Gemächer, erschwerte den Zutritt zu seiner Person und erteilte 
ihr so durch eine Menge von Scheidewänden und Stufen zwischen 
Thron und Antertan einen Glanz, der die gesunkene Kaiserwürde heben 
und die Person des Herrschers vor dem Wankelmut oder Trotz der 
Soldaten und Antergebenen sicherer stellen sollte. Darum aber wählte 
er auch nicht Rom zur Residenz, sondern das prachtvoll von ihm aus¬ 
gebaute Rikomedia in Kleinasien und kam erst nach zwanzig Jahren 
einmal in die alte Kaiserstadt. Die gefürchteten Prätorianer hob er 
auf und ersetzte sie durch zwei treue illyrische Legionen. 
Diokletian war ein herrlicher Charakter. Eins aber, was sich wohl 
aus den Amständen erklären, nimmer aber entschuldigen läßt, gereicht 
ihm zum ewigen Vorwurfe: die Christenverfolgung. In seinem 
Charakter lag sie nicht; er dachte für alle religiöse Schwärmerei zu hell, 
für religiöse Anduldsamkeit zu besonnen; er sah sehr wohl, wie gebrech¬ 
lich und hinfällig der alte Glaube sei; seine Gemahlin und seine Tochter 
sollen ja, mit seinem Vorwissen, Christen gewesen sein. Die Christen 
zu Rikomedia hatten einen Tempel, der seinen Palast überragte. Wie 
kam dieser Mann nun dazu, die Christen zu verfolgen? Vielleicht er¬ 
klärt es sich in folgender Art. Wer Widerspruch gegen seine Macht¬ 
vollkommenheit erhob, der griff ihn an der empfindlichsten Stelle an und 
brachte ihn zu den härtesten Maßregeln. Er mochte denken, wie ge¬ 
fährlich doch für das Reich dieser Staat im Staate sei, den die Christen 
bildeten, indem sie durch eigene Gesetze von ihren geistlichen Oberen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.