schauliches Bild an das andere reiht. Freilich verbindet sich nicht immer
alles zu einem klaren, geschlossenen Ganzen, sondern flattert leicht aus¬
einander oder entbehrt im Gesamtbilde der Klarheit; auch eine gewisse
Enge ist neben der Herbigkeit, die den Wohllaut nicht sucht, unverkennbar.
Aber Annette übersieht und überhört nichts, auch nicht das Unschein¬
barste, nicht den zurückrauschenden Zweig, noch das Rispeln der Halme,
die im Laube schrillende Maus, das blaffende Eichhörnchen, die Unke,
die Grille, das Käferchen, ob sie auf dem Turm oder Balkon, oder im
Moose und Grase, im Moor oder in der Heide, im Mondesglanz oder
im nächtigen Dunkel ihren stets eigenartigen Gedanken nachhängt. Da¬
bei entfaltet sie — z. B. in dem Zyklus „Die Elemente" — in wunder¬
voller Sprachbeherrschung die stolzeste Rhythmenfülle und eine gro߬
zügige und kühne Phantasie. Dazwischen aber sind einzelne Verse oder
Strophen so ungelenk und so schwer zugänglich, als wären sie „mit
Latten vernagelt". Volkstümlich geworden sind hauptsächlich ihre er¬
zählenden Dichtungen wie „Der Brief aus der Heimat", „Das vier¬
zehnjährige Herz", „Die beschränkte Frau", „Die Vergeltung" und
ähnliche, aber in diesen liegt ihre Bedeutung nicht, auch nicht in den Bal¬
laden: „Der Eeierpfiff", „Der Tod des Erzbischofs Engelbert von Köln",
„Das Fegfeuer des westfälischen Adels", „Kurt von Spiegel" u. a.,
die zwar derb und anschaulich erzählt, aber eben nur erzählt, rhetorisch
bis in die kleinsten Einzelheiten ausgeführt, doch nicht gestaltet sind. Eigen¬
artiger empfunden und ihren bedeutenden Schöpfungen näher stehen
ihre idyllischen oder unheimlichen Landschafts- und Lebensbilder aus
Heide und Moor, die mit packender Gewalt den Leser in die Stimmung
der nord-westfälischen Landschaft versetzen, wie das liebliche Idyll „Das
Haus in der Heide":
Wie lauscht vom Abendschein umzuckt,
die strohgedeckte Hütte,
recht wie im Nest der Vogel duckt,
aus dunt er Föhren Mitte,
und NUN malt sie mit feinen Strichen das friedliche Leben dieser Abend¬
stunde :
Es ist ein Bild, wie still und heiß
es alte Meister hegten,
kunstvolle Mönche, und mit Fleih
es auf ven Goldgrund legten.