Full text: Deutsches Lesebuch für Tertia (Teil 4, [Schülerband])

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III. Geschichtliche Darstellungen. 
lung diplomatischer Vertreter; der unmittelbare Verkehr und Meinungs¬ 
austausch der Glieder des Reiches hörte auf, und an seine Stelle 
traten Gesandte mit Instruktionen. Die Frische und Unmittelbarkeit, 
welche aus einer imposanten Versammlung von Kaiser, Kurfürsten, 
Fürsten, städtischen Vertretern nie völlig verschwand, konnte natürlich 
auf einem säumig besuchten Kongresse von Diplomaten nimmermehr 
heimisch werden, zumal wenn die unvermeidliche Weitläufigkeit der 
Formen einer solchen Versammlung durch die pedantische und umständ¬ 
liche Richtung der Zeit noch ins Ungemessene gesteigert ward. Es 
kam die Zeit, wo der unfruchtbare Hader um die Erzämter, um den 
Rang, um den Exzellenztitel die wichtigsten Geschäfte verdrängte, wo 
die Streitfrage, ob die fürstlichen Gesandten nur auf grünen Sesseln 
zur Tafel sitzen sollten, oder gleich den kurfürstlichen auf roten, ob 
sie mit Gold oder Silber bedient werden dürften, ob der Reichsprofoß 
am Maitage den kurfürstlichen Gesandten wirklich sechs, den fürstlichen 
nur vier Maibäume aufstecken müsse — wo diese und ähnliche Streit¬ 
fragen mit religiöser Wichtigkeit behandelt wurden, aber die dringend¬ 
sten Interessen der Gesamtheit kaum zur Erörterung kamen. Und 
wäre diese Pedanterie und Förmlichkeit nur auf den Reichstagssaal 
zu Regensburg beschränkt gewesen, hätte inan nur dort sich bemüht, 
die immer mehr schwindende Macht und Würde der Sachen durch ängst¬ 
liche Wahrung eitler Formen zu ersetzen! Aber es drang diese 
Neigung in das gesamte deutsche Leben; die leeren Formen, das 
weitläufige und schwerfällige Wesen verwuchsen um so inniger mit uns, 
je mehr die Nation im ganzen entwöhnt ward, große Interessen im 
großen Stile zu verfolgen, je mehr sich ihre ganze öffentliche Thätigkeit 
seit 1648 um kleine Verhältnisse in kleinen Kreisen bewegte. 
Für die Entfaltung äußerer Macht und raschen Widerstandes 
waren diese losen Formen um so ungünstiger, je fester und einiger 
sich die nächsten Nachbarstaaten abgeschlossen hatten. Wie hätte diese 
lockere Föderation dem Übergewichte eines völlig konsolidierten, militäri- 
schen Einheitsstaates, wie der Ludwigs XIV". mar, widerstehen sollen? 
Zumal da im Norden die Schweden ins deutsche Gebiet weit herein¬ 
geschoben, im Südosten die Türken, deren Paschas noch zu Buda- 
Pesth saßen, als Frankreichs Verbündete das Reich bedrängten! In 
der That ist es weniger der Verwunderung wert, daß Deutschland in 
diesen Zeiten manch schwere Einbuße erlitt, als daß es, zwischen drei 
eng verbundene, kriegerische und erobernde Völker eingeengt, für seine 
schwerfällige, unbewegliche und schutzlose Verfassung nicht noch härter 
büßen mußte. Daß Frankreich in dieser von kirchlichen und politischen 
Gegensätzen zerklüfteten Fürstenrepublik mit Geld und diplomatischen 
Künsten jenes Übergewicht erlangen konnte, das von Ludwig XIV. 
bei der Kaiserwahl von 1657 —1658 und bei der Gründung des
	        
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