Uhland: Ver sacrum.
213
I
5. Doch vor der Heimat Toren, am Altar,
Da harrten schon zum festlichen Empfang
Die Frauen und der Jungfraun helle Schar,
Bekränzt mit Blüte, welche heut entsprang.
6. Als nun verrauscht der freudige Willkomm,
Da trat der Priester auf den Hügel, stieß
Ins Gras den heil'gen Schaft, verneigte fromm
Sein Haupt und sprach vor allem Volke dies:
7. „Heil dir, der Sieg uns gab in Todesgraus!
Was wir gelobten, das erfüllen wir;
Die Arme breit' ich auf dies Land hinaus
Und weihe diesen vollen Frühling dir.
8. Was jene Trift, die herdenreiche, trug,
Das Lamm, das Zicklein flamme deinem Herd!
Das junge Rind erwachse nicht dem Pflug
Und für den Zügel nicht das mut'ge Pferd!
9. Und was in jenen Blütengärten reift,
Was aus der Saat, der grünenden, gedeiht,
Es werde nicht von Menschenhand gestreift,
Dir sei es alles, alles dir geweiht!"
10. Schon lag die Menge schweigend auf den Knien;
Der gottgeweihte Frühling schwieg umher,
So leuchtend, wie kein Frühling je erschien;
Ein heil'ger Schauer waltet' ahnungsschwer.
11. Und weiter sprach der Priester: „Schon gefreit
Wähnt ihr die Häupter, das Gelübd' vollbracht?
Vergaßt ihr ganz die Satzung alter Zeit?
Habt ihr, was ihr gelobt, nicht vorbedacht?
12. Der Blüten Duft, die Saat im heitern Licht,
Die Trift, von neugeborner Zucht belebt,
Sind sie ein Frühling, wenn die Jugend nicht,
Die menschliche, durch sie den Neigen webt?
13. Mehr als die Lämmer sind dem Gotte wert
Die Jungfraun in der Jugend erstem Kranz;
Mehr als der Füllen auch hat er begehrt
Der Jünglinge im ersten Waffenglanz.
14. O, nicht umsonst, ihr Söhne, wäret ihr
Im Kampfe so von Gotteskraft durchglüht!
i