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haben. In den Tropenländern, z. B. auf den ostindischen Inseln, gibt es
eine Anzahl Vögel, zu den Pirolen gehörig, die eine so gute Maske der
stark bewehrten und gefürchteten Tropidorhinchus-Vögel tragen, daß sie
lange Zeit auch für solche gehalten worden sind, und daß erst in neuerer Zeit
ihre Maske erkannt wurde, weshalb sie den Namen Mimeta, d. h. Nach¬
äffer erhielten. Unter den Schlangen finden wir einige ganz vorzügliche
Nachahmungen, und zwar hautsächlich solche von auffallend und schön ge¬
färbten, aber höchst gefährlichen Giftschlangen. Die Gruppe der prächtigen
Korallennattern (Elaps) hat besonders zahlreiche Nachäffer gefunden. Das
Kleid der in Mexiko lebenden, sehr giftigen Korallennatter (Elaps lemnis-
catus) zeichnet sich durch breite, tiefschwarze Bänder aus, und jedes Band
ist durch gelbe Ringe in mehrere Teile geteilt, gewiß eine auffallende
Färbung. Genau dieselbe Zeichnung zeigt aber auch eine durchaus harm¬
lose Schlange, die nur von einem Kenner bei näherer Untersuchung von
der giftigen unterschieden werden kann, die also durch die Erwerbung der
gefährlichen Maske vollständig gegen Verfolgung geschützt ist, da die meisten
Tiere sich sehr hüten, der bekannten giftigen Schlange zu nahe zu kommen.
Wie schon erwähnt, ist Mimikry unter den Insekten sehr ausgeprägt,
und in der Tat finden wir hier ein ganzes Heer maskierter Gestalten.
Es würde uns zu weit führen, wollten wir auch nur einzelne Vertreter
jeder Gruppe anführen. Wir beschränken uns deshalb auf die Beschreibung
einzelner charakteristischer Arten. Es leuchtet ein, daß hier, ebenso wie in
andern Tierklassen, Nachahmungen gefürchteter Tiere die vorteilhaftesten
sein müssen, und so sehen wir demgemäß viele sehr harmlose Geschöpfe
unter der Maske mordgieriger Wespen und Bienen einherstiegen. Wie oft
bringt nicht eine zum Fenster hereinsummende unschuldige Schwebfliege die
ganze im Zimmer befindliche Gesellschaft in Aufregung, wenn die ver¬
meintliche Stachelträgerin sich dem einen oder andern nähert! Wer hat
nicht schon gesehen, wie die nach einer Blume greifende Hand erschreckt
zurückgezogen wurde, weil eine gefährliche Wespe auf der Blüte saß? Und
doch war gar keine Gefahr, gestochen zu werden, vorhanden, beidemal hatte
die vortreffliche Maske einer gänzlich harmlosen Schweb- oder Blumenfliege
getäuscht, die, das eine Mal als Biene, das andere Mal als Wespe ver¬
kleidet, die Aufregung hervorrief. Die Verkleidung ist allerdings vortreff¬
lich, so daß die Verwechselung zu entschuldigen ist; werden doch selbst —
und dies ist ja der Hauptzweck der Maskerade — die nach Fliegen arg
lüsternen Räuber, wie z. B. Spinnen, getäuscht und wagen nicht, das
gefährlich scheinende Tier anzugreifen, wie lehrreiche Versuche gezeigt haben.
Besonders die Dickkopffliegen (Loriops) zeigen einige ganz vorzügliche
Wespenmasken: bis aufs einzelne ist die in die Augen fallende Zeichnung
der wütenden Stachelträger nachgeahmt und das Tier dadurch bestens ge¬
schützt. Aber nicht allein Fliegen, auch Schmetterlinge und Käfer tragen
die schützende Uniform der Wespen. Unter den Schmetterlingen sind es