Der grimme Hagen aber höhnt die Klagenden und zugleich den
schmählich Ermordeten: „Ich weiis nicht, was ihr klagt; nun hat
ja alles ein Ende, was wir an Leid und Sorgen getragen haben; nun
leben nur noch wenige, die gegen uns aufzutreten wagen dürfen;
wohl mir, dass ich gegen diesen da Rat geschafft!“ Da geht der
Name der treuen Gattin dem Sterbenden über die Lippen, und
um ihretwillen redet er zum letztenmal König Günther an. „Wollt
Ihr, edler König, noch einmal in Eurem Leben gegen jemand
Treue beweisen, so lasst Euch meine liebe Traute befohlen sein;
lasst es sie gemessen, dass sie Eure Schwester ist, und sorgt für
sie treulich, wie es Fürstensitte gebietet.“ Dann sinkt er sterbend
in die Blumen.
5.
In der Nacht wird Siegfrieds Leichnam über den Rhein ge¬
führt. Der entsetzliche Hagen lässt den Toten, sowie man zu
Worms angekommen ist, vor die Tür des Hauses legen, in dem
Kriemhild wohnt, wohl wissend, dass sie selbst gleich am frühen
Morgen, wenn sie ihrer Gewohnheit nach zur Mette gehe, ihn da
finden werde. Furchtbar gelingt die Freveltat. Ein Kämmerer geht
mit dem Lichte voran und sieht den Leichnam. „Frau,“ sagt er,
„stehet stille, da liegt vor dem Gadern ein erschlagener Ritter.“
Ein lauter Schrei des Entsetzens ist Kriemhilds Antwort; sie weiss,
wer da erschlagen liegt, ohne dass man es ihr gesagt hat; und als
sie den Erschlagenen sieht, so tief er vom Blut übergössen ist —
sie kennt wohl auch im bleichen Fackelschein die Heldengestalt
und die edlen, im Tode erstarrten Züge. „Du bist ermordet,“ ruft
sie, „dein Schild ist nicht zerhauen I Dem gilt es den Tod, der das
getan!“ Siegfrieds Mannen und Siegfrieds Vater werden geweckt;
lauter Jammer erfüllt weit und breit die Säle und Höfe, und zur
Rache scharen sich die Getreuen des erschlagenen Helden, kaum
dass Kriemhild warnen und es wehren kann: es sei jetzt noch nicht
Zeit zur Rache, dereinst werde sie kommen. Als der Tote auf
der Bahre liegt, kommen die Könige, ihre Brüder, und die Ver¬
wandten; auch Hagen tritt ohne Scheu hinzu. Kriemhild aber
wartet an der Bahre des Bahrrechts — einer Volkssitte und eines
Volksglaubens, der noch heute nicht ausgestorben ist: wenn der
Mörder dem Gemordeten nahe trete oder gar dessen Leichnam be¬
rühre, öffneten sich die Wunden und das Blut fliesse von neuem —,
und als Günther ihr eben einzureden sucht, fremde Räuber hätten
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