Attila beugen, sobald sie angegriffen wurden. Die östlichen deut¬
schen Stämme und die neben und unter ihnen wohnenden Slawen
folgten willenlos dem mächtigen Chan; Konstantinopel und Rom
brachten ihm zitternd Tribute; vom Rhein bis zur Wolga, von der
5 Donau bis zur Weichsel und zur Elbe war sein Wort allmächtig.
Jene Zeit war an gewaltigen Persönlichkeiten nicht arm, aber sie
alle verdunkelte die ausserordentliche Erscheinung dieses Mon¬
golenhäuptlings. Nur in einer Periode, wo alle inneren Bande und
festen Ordnungen der Völker zusammengefallen, erschlafft oder
io gelöst waren, vermochte ein einzelner Mann, dem kaum andre
Mittel zu Gebote standen als ein heller Blick, fester Wille und
kühner Mut, eine so einzige Stellung zu gewinnen.
An den östlichen Grenzen Daciens hatte er sich seine Re¬
sidenz erwählt. In Eile war sie aufgeführt und bestand nur aus
i5 hölzernen Gebäuden, aber sie war weitläufig, volkreich und alles
mit reinlicher Sorgfalt gehalten; unermessliche Schätze, die Beute
der eroberten Länder, hegte sie in sich. An dem Hofe des Chans
herrschte die ausgesuchteste Pracht, die sogar Griechen und
Römer in Verwunderung setzte; selbst an geistigen Genüssen
2o fehlte es nicht, denn aus den entferntesten Gegenden der Erde
zog der Name des mächtigen Fürsten lebhafte Geister herbei. Ge¬
sandtschaften aus allen Teilen der Welt begegneten sich hier;
neben der hunnischen Sprache wurden die gotische, lateinische
und griechische am Hofe gehört. Attila selbst liess in seiner
25 Körperbildung seinen Ursprung nicht verkennen; er war von
kleinem Wuchs, auf breiten Schultern ruhte ein grosser Kopf, die
Gesichtsfarbe war dunkel, die Nase aufgestülpt, die Augen klein
und der Bart nur spärlich. Aber stolz trat er auf, und das Auge
blitzte nach allen Seiten; Selbstbewusstsein und Herrschsucht
3o sprachen aus seinen Mienen, die einen ernsten, fast finstern
Ausdruck hatten. Er lebte einfach; aus hölzernen Besässen nahm
er Speise und Trank, und auch in Kleidung und Waffen unter¬
schied er sich nicht von andern Hunnen. Aber darum wollte er
doch als Herr der Welt anerkannt und geehrt sein. Als man ihm
35 einst ein Bild zeigte, auf dem die römischen Kaiser auf goldenem
Thron sitzend dargestellt waren und zu ihren Füssen am Boden
unterwürfige Hunnen, liess er auch sich auf seinem Königsstuhl ab¬
bilden und vor ihm die römischen Kaiser, wie sie die Goldsäcke
heranschleppten und zu seinen Füssen ausschütteten. Er war ein
4o Barbar, aber ein Barbar, der mit seinem Blick die Welt über-