Full text: Prosalesebuch für Untertertia der Vollanstalten oder Klasse III der Realschulen (Teil 4, [Schülerband])

neben kostbaren Decken Kopf- und Armpolster und unter seinem 
Tafelgerät ausser den Prachtstücken der Goldschmiede auch alte 
Gläser von Kristall und von milchweifsem Fluss, die mit Malerei 
geschmückt waren. Denn die feine Glasarbeit älterer Zeit war nicht 
sämtlich zerschlagen; die Farben vieler Edelsteine wurden im 
Glase nachgemacht, sogar die des Opals, und man zeigte Gläser, 
welchen in artigem Spiel andre Körper eingeschlossen waren. 
Auch zu Spiegeln wurde das Glas verwandt, deren Rücken man mit 
Zinn belegte; Fensterglas wurde noch verfertigt; es wird aus 
dem Frankenreich vor Heiligennischen und in besseren geist¬ 
lichen Wohnungen erwähnt. 
Oft wurde das Glas benutzt, Edelsteine zu fälschen. Der 
Handel mit Schmuck und Juwelen hatte weit höhere Bedeutung als 
jetzt. Die Formen der Ringe, Diademe, Spangen und Halsketten 
waren sehr mannigfaltig, zahlreich die Unterschiede und Namen, 
welche man den Edelsteinen gefunden hatte. Smaragd und Rubin 
galten für die kostbarsten Juwelen, der Ruhm der Diamanten stieg 
erst im spätern Mittelalter; die Fürsten wurden nicht müde, 
indische Edelsteine zu kaufen und verarbeiten zu lassen; die 
Leidenschaft für diese Schmuckstücke war bei Männern und 
Frauen charakteristisches Kennzeichen einer Zeit kriegerischen 
Erwerbs und unsichem Besitzes, — auch des Aberglaubens, denn 
jeder Steinart wurde eine besondere Heilwirkung zugeschrieben. 
Ebenso war die Kunst, edle Steine zu färben, noch wohl bekannt. 
Der Bernstein, einst die einzige Handelsware, welche die Völker 
der Ostsee den Griechen und Römern interessant machte, war ein 
gewöhnlicher Schmuck der Bauerfrauen im gotischen Spanien 
geworden, sie trugen die Bemsteinperlen als Halsband; auch dem 
Bernstein wusste man verschiedene Farben zu geben, er wurde 
durch die Wurzel der Anchusa und Konchyliumsaft rot gefärbt 
wie schon zur Zeit des Plinius. 
Will man auch unsrer gewölmlichen Handwerksarbeit in jener 
Zeit einen Blick gönnen, so findet man, dass der Schuster im 
Jahre 600 die Schuhe des Goten ebenso über den Leisten schlug 
und mit Schweinsborsten nähte wie jetzt und dass der Vandale, 
welcher unsicher von einem Trinkgelage heimkehrte, wo er zuletzt 
die Windungen einer Tänzerin aus Alexandrien bewundert und 
Rosenwein getrunken hatte, sich durch eine echte, regelmässige 
Laterne mit Glasscheiben zum Laßer leuchten konnte, wenn ihm 
nicht sein Knabe eine Wachsfackel vortrug. 
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