Full text: [Abtheilung 2 = (Quarta, Tertia), [Schülerband]] (Abtheilung 2 = (Quarta, Tertia), [Schülerband])

292 
da am wenigsten Gold, wo der Glanz und die Prahlerei am größten 
ist. Wer viel Lürm macht, hat wenig Muth. Wer viel von seinen 
Thalern redet, hat nicht viel. Wer viel fromme Worte im Munde 
führt, ist gewöhnlich der besten keiner. 
„Einmal ist keinmal.“ Dies ist das erlogenste und schlimmste 
unter allen Sprüchwörtern, und wer es gemacht hat, der war ein 
schlechter Rechenmeister oder ein boshafter. Einmal ist wenigstens 
einmal, und daran läßt sich nichts abmarkten. Wer einmal gestohlen 
hat, der kann sein Leben lang nimmer mit Wahrheit und frohem 
Herzen sagen: Gottlob, ich habe mich nie an fremdem Gut vergriffen! 
nd wenn der Dieb erhascht und erhenkt wird, alsdann ist einmal 
gewiß nicht keinmal. Aber das ist noch nicht alles, sondern man 
kann meistens mit Wahrheit sagen: Einmal ist zehnmal und hundert⸗ 
und tausendmal; denn wer das Böse einmal angefangen hat, der setzt 
es auch gemeiniglich fort, und dann tritt zuletzt ein anderes Sprüch⸗ 
wort ein, daß der Krug so lange zum Brunnen geht, bis er bricht. 
„Man muß mit den Wölfen heulen.“ Das heißt: Wenn 
man unvernünftigen Leuten kommt, muß man auch thun wie sie. 
Merie: Nein! Sondern erstlich, du sollst dich nicht unter die Wölfe 
mischen, sondern ihnen aus dem Wege gehen. Zweitens, wenn du 
ihnen nicht entweichen kannst, so sollst du sagen: Ich bin ein Mensch 
und kein Wolf; ich kann nicht so schön heulen wie ihr. Drittens, 
wenn du meinst, es sei nimmer anders von ihnen loszukommen, so 
magst du einmal oder zweimal mitbellen, aber nicht mit ihnen beißen 
und andrer Leute Schafe fressen. Sonst kommt zuletzt der Jäger, 
und du wirst mit ihnen geschossen. 
.„Gott grüßt manchen, der ihm nicht dankt.“ Wenn dich früh 
die Sonne zu einem neuen, kräftigen Leben weckt, so bietet er dir 
guten Morn, wenn sich abends dein Auge zum erquicklichen Schlum⸗ 
mer schließet, gute Nacht. Wenn du eine Gefahr noch zur rechten 
Zeit entdeckst so sagt er: Nimm dich in Acht, und kehre lieber 
ieder um. Wenn du am schönen Maitage in Blüthenduft und Ler— 
chengesang spazieren gehst und es ist dir wohl, sagt er: Sei will— 
kommen in meinem Garten. Oder du gehst an einem Grabe vorbei 
und es schauert dich, so sagt er: Gedenle, daß du sterben mußt. Also 
grüßt Gott manchen, der ihm nicht antwortet und nicht dankt. 
Hebel.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.