fröhliche Gäste gesehen als in dieser Nacht. Dem reichen Manne barst schier
das Herz. Da sah er seinen Sohn so liebevoll gehalten von der Familie
285 dessen, den er heute — Er dachte es nicht aus. Den schnellsten Reiter
sandte er nach dem Herrenhause, um die eiserne Thür zu öffnen.
Sie waren alle noch beisammen, als der Lenz in einem vornehmen
Wagen, der mit zwei Rappen bespannt war, angefahren kam. Zur Stunde
brach schon der Morgen an. „So geht es nicht allzu selten auf dieser Welt,"
290 sagte Gallheim in tiefem Ernste zum Pecher. „Die Macht in der Hand eines
leidenschaftlichen Menschen ist wie das Messer in der Hand eines Kindes.
Lenz, ich habe dir Unrecht gethan. Hier sehe ich dein Weib, dein Kind,
denen du das Christbäumchen hast aufstellen wollen. Verzeiht mir! Verzeiht
mir alle drei! Ich will es gut zu machen trachten."
295 Er sprach dem Pecher die Meierstelle im großen Felberhofe zu. Der
Lenz war wortkarg. Er schüttelte den struppigen Kopf: der Felberhof wäre
ihm zu groß. „Zu groß!" lachten die Leute, „das sollte ein Mann wie
Ihr einer seid, niemals sagen. Manch anderer wäre froh, könnte er seine
Familie ohne Sorgen wachsen sehen." — „Mag nicht fort von da," sagte der
300 Lenz tonlos, „wollt' mir lieber das Pechhacken wieder erlaubt sein!" — „Das
Pechhacken, Lenz, das thut Euch schlecht und den Bäumen nicht gut," versetzte
Gallheim. „Aber die Försterstelle wird frei, und zu Christbäumen für Eure
Nachkommenschaft haltet von heute an dreißig Joch Waldgrund als Euer
eigen! Dann, Hackbreter, wollen wir wieder gut sein!"
305 „Ich bin nicht bös," sagte der Lenz, „ich wollt' den Herrn nur gebeten
haben, daß er's hier vor meinem Weib und vor meinem Kind laut thät'
sagen, daß ich nicht schuldigerweis eingesperrt worden bin." Gallheim faßte
mit beiden Händen des andern Rechte und rief: „Lenz, Ihr seid ein braver
Mann!"
310 Und so ist das Christkind doch noch in die Hütte der Pecherslente ge-
koinmen. P. K. Rosegger. Das Buch der Novelle». 18945. B. III. S. 295 ff-
27. Schillers Brief an seine Mutter beim Tode des Vaters.
sJena, den 19. Sept. 1796.]
Liebste Mutter!
Herzlich betrübt ergreife ich die Feder, mit Ihnen und den lieben
Schwestern den schweren Verlust zu beweinen, den wir zusammen erlitten
haben. Zwar gehofft habe ich schon eine Zeit lang nichts mehr; aber wenn
das Unvermeidliche wirklich eingetreten ist, so ist es immer ein erschütternder
5 Schlag. Daran zu denken, daß etwas, das uns so teuer war, und woran
wir mit den Einpfindungen der frühen Kindheit gehangen und auch im spätern
Alter mit Liebe geheftet waren, daß so etwas aus der Welt ist, daß wir mit
allem unsern Bestreben es nicht mehr zurückbringen können, daran zu denken
ist mir etwas Schreckliches. Und wenn man erst wie Sie, teuerste, liebste
10 Mutter, Freude und Schmerz mit dem verlorenen Freund und Gatten so
lange, so viele Jahre geteilt hat, so ist die Trennung um so schmerzlicher.