Als nun nach einiger Zeit Garibald durch feindlichen Einfall der Franken
in Not kam, floh Theodelinde mit ihrem Bruder Gnndoald nach Italien und
ließ ihrem Verlobten ihre Ankunft melden. Der ging ihr sogleich in statt¬
lichem Aufzuge zur Hochzeit entgegen und traf sie auf dem Sardisfeld ober¬
halb Verona, wo am fünfzehnten Tage des Wonnemonats unter allgemeinem
Jubel die Hochzeit gehalten wurde.
Ferdinand Bäßler. Sagen ans der Geschichte des deutschen Volkes. 18752. S. 50 ff.
10. Karl der Große.
Karl der Große war — nach dem Bilde, welches fein vertranter Ge-
heimfchreiber Einhard in feiner Biographie von ihm entworfen hat — von
großem, starkem Körperbau und zeichnete sich durch seinen hohen Wuchs
ans, welcher jedoch das rechte Maß nicht überschritt; denn feine Länge betrug
bekanntlich sieben seiner Füße. Sein Hinterhaupt war rund. Er hatte große,
feurige Angen, eine etwas große Nase, schönes Silberhaar und ein lächelndes,
heiteres Angesicht. War er zornig, so hatte sein Blick etwas Durchbohrendes,
Schreckliches. So zeichnete sich seine Gestalt, mochte er stehen oder sitzen,
durch ungemeine Würde ans, und obgleich fein fetter und kurzer Nacken und
fein starker Unterleib etwas auffielen, so wurden sie doch durch das Ebenmaß
der übrigen Glieder ausgeglichen. Er schritt fest einher, seine ganze körper¬
liche Haltung war männlich. Seine Stimme war hell und seiner Körpergröße
weniger angemessen. Er erfreute sich einer guten Gesundheit, nur daß er
vier Jahre vor seinem Tode häufig an Fiebern litt und zuletzt auch an einem
Fuße lahm wurde. Der kaiserliche Ornat, den er trug, wiirde durch sein
Gelvicht einen Mann der heutigen Zeit zu Boden drücken. Bei einer solchen
Körpergröße und Kraft erscheint es Übrigens nicht eben zu märchenhaft, wenn
erzählt wird, daß er einen Sarazenen mit einem Schwerthiebe spaltete oder
Hufeisen zerknickte; that dies letztere doch auch August der Starke von Sachsen
(1694——1733], wie vielfach berichtet wird!
Über Karls Lebensweise berichtet Einhard, daß er selbst in der letzten
Zeit der Fieberanfälle mehr nach eigenem Ermessen handelte, als daß er die
Ratschläge der Ärzte befolgte, die er überhaupt nicht sehr leiden mochte,
da sie ihm statt des gebratenen Fleisches, das er gewöhnlich aß, gekochtes
anempfahlen. Er ritt und jagte häufig, wie es bei den Franken Sitte
war; denn „keine Nation," sagt Einhard, „findet sich ans Erden, welche in
diesen Künsten es den Franken gleichznthnn vermöchte." Auch bediente er
sich gern der natürlichen warmen Bäder und übte seinen Körper häufig durch
Schwimmen, worauf er sich so gut verstand, daß es ihm keiner zuvorthun
konnte. Ans diesem Grunde erbaute er auch zu Aachen sdem altberühmten
Badeortes einen Palast und residierte daselbst die letzten Jahre seines Lebens
bis an seinen Tod ununterbrochen. Er lud nicht nur seine Söhne, sondern
auch seine Großen und Freunde, ja wohl manchmal sogar seine Trabanten
und seine Leibwache znm Bade ein, so daß dann hundert und mehr noch zu¬
sammen mit ihm badeten.
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