Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

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II. Abschnitt. Die Welt des Stoffes. 
89. Dag Nasser. 
Von Friedrich Pfaff. Das Wasser. S. 1. 
Vom Himmel kommt es, 
zum Himmel steigt es, 
und wieder nieder 
zur Erde muß es, 
ewig wechselnd. 
Göthe. 
In diesen wenigen Worten unsres größten Dichters ist die Geschichte 
aller Wasser, welche je auf der Erde geflossen sind, der ewig sich wieder¬ 
holende Kreislauf desselben mit seiner reichen Fülle von Thätigkeit in der 
treffendsten Weise bezeichnet. 
Vom Himmel kommt es; denn in den frühesten Zeiten ihres Da¬ 
seins war unsre Erde nach dem übereinstimmenden Zeugnisse der Geologie 
wie der Astronomie eine glühend heiße Kugel, es mußte daher alles Wasser 
in Dampfform in der Atmosphäre über ihr schweben. In dem eisig 
kalten Weltraum kühlte sich nach und nach auch diese Jugendglut ab, es 
bildete sich eine feste, nicht mehr heiße Rinde, und nun strömte das Wasser 
herab, das Urmeer entstand und bedeckte die Erde. 
Zum Himmel steigt es. Bei jeder Temperatur verwandelt sich an 
der Oberfläche der Erde das Wasser wieder in Dampf und erhebt sich in 
die Lüfte. Unsichtbar in dieser Gestalt zieht es auf den Flügeln des 
Windes über die Länder, die seines Segens harren und nur von ihm 
Leben empfangen. 
Und wieder nieder zur Erde muß es. Aus den höchsten Höhen 
senkt es sich herab auf die Gipfel der Berge wie auf den Grund der 
Thäler, als Tau, Wolke und Regen. Es muß, der Schwere folgend, 
immer weiter und weiter hinab, dringt hier in die Tiefe, um als Quelle 
noch tiefer unten zu erscheinen, rieselt dort über Felsen und Gehänge herab, 
um als Bach und Fluß die Niederungen zu durchziehen, bis es endlich 
wieder im Meere angelangt ist, bereit, ohne Verzug von neuem den Kreis¬ 
lauf zu wiederholen. 
Ewig wechselnd. Was könnte nicht ein einziger Tropfen von 
diesem Wechsel erzählen, welche Geheimniffe uns offenbaren! Von dem 
Wechsel der Länder, die er nach und nach durchwandelt vom Nordpol bis 
zum Südpol, denn die Luft, die Trägerin des Wassers, kreist beständig 
um die Erde von der nördlichen zur südlichen Hemisphäre, von ihrer Ost¬ 
seite zu ihrer Westseite, alle Länder nach und nach berührend — von dem 
Wechsel seiner Form, wie er sich hier als festes Eisnädelchen angesetzt, 
dort als flüssiges Kügelchen sich herumgetrieben und wieder wo anders 
als lustiger Geselle unsichtbar durch die Lüfte gesegelt — von dem Wechsel 
seines Thuns, daß er hier mit seinen Kameraden in eine Spalte einge¬ 
drungen und mit dem Winterfroste im Bunde einen Felsen gesprengt und 
auf dem großen Schlitten, dem Gletscher, thalabwärts geschleppt, daß er 
dort sich in die Tiefe gezwängt und den funkelnden Edelstein erzeugt und 
wohlthuende Arznei für den Kranken bereitet, daß er hier aus dem Grunde
	        
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