Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

Familie, Staat, Vaterland. 
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Der Hofschulze wusch in einem Stalleimer voll Wasser, welcher neben 
dem kleinen Ambosse stand, sich Hände und Gesicht, goß dann das Feuer 
aus und sagte: „Ein Narr, der dem Schmied giebt, ivas er selbst ver¬ 
dienen kann." Er nahm den Amboß, als sei er eine Feder, aus und 
trug ihn nebst Hammer und Zange unter einen kleinen Schuppen zwischen 
Wohnhaus und Scheuer, in welchem Hobelbank, Säge, Stemmeisen und 
was sonst zu Zimmer- und Schreinergewerk gehört, bei Holz und Brettern 
mancher Art stand, lag oder hing. 
Indem der Alte sich unter dem Schuppen noch zu schaffen machte, 
sagte der Pferdehändler zu dem Rezeptor: „Wollen Sie glauben, daß 
der auch alle Pfosten, Thüren und Schwellen, die Kisten und Kasten im 
Hause mit eigener Hand flickt, oder, wenn das Glück gut ist. auch neu 
zuschneidet? Ich meine, wenn er wollte, könnte er auch einen Kunst¬ 
schreiner vorstellen und würde einen richtigen Schrank zuwege bringen." 
„Da seid ihr im Irrtum," sprach der Hofschulze, der das letzte 
gehört hatte und, das Schurzfell jetzt abgethan, im weißleinenen Kittel 
aus dem Schuppen trat. Er setzte sich zu den beiden Männern an den 
Tisch, eine Magd brachte ihm auch ein Glas, er that seinen Gästen 
Bescheid und fuhr dann fort: „Zu einem Pfosten, zu einer Thüre und 
Schwelle gehören nur ein paar gesunde Augen und eine firme Faust, 
aber ein Schreiner braucht mehr. Ich habe mich einmal vom Hochmut 
verleiten lassen und wollte, wir Ihr es nennt, einen richtigen Schrank 
zuwege bringen, weil mir Hobel und Meißel und Reißschiene auch bei 
dem Zimmerwerk durch die Hände gegangen waren. Ich maß und 
zeichnete und schnitt die Hölzer zu, auf Fuß und Zoll hatte ich alles ab¬ 
gepaßt; ja, als es nun an das Zusammenfügen und Leimen gehen sollte, 
war alles verkehrt. Die Wände standen windschief und klafften, die 
Klappe vorne war zu groß und die Kasten für die Oeffnungen zu klein. 
Ihr könnt das Gemächt noch sehen, ich habe es auf dem Sill stehen 
lassen, mich vor Versuchung künftig zu wahren, denn es thut dem 
Menschen immer gut, wenn er eine Erinnerung an seine Schwachheit vor 
Augen hat." 
In diesem Augenblick ließ sich ein lustiges Wihern aus dem Pferde¬ 
stalle gegenüber vernehmen. Der Pferdehändler räusperte sich, spuckte 
aus, schlug sich Feuer an, blies dem Rezeptor eine starke Dainpfwolke 
in das Gesicht, sah sehnsüchtig nach dem Stalle und dann gedankenvoll 
vor sich nieder. Hierauf spuckte er nochmals aus, nahm den lackierten 
Hut vom Kopfe, strich mit dem Arme über die Stirn und sagte: „Noch 
immer eine schwüle Witterung." — Dann schnallte er seine lederne 
Geldkatze vom Leibe, warf sie mit Getöse auf den Tisch, daß der Inhalt 
klang und klirrte, löste die Riemen und zählte zwanzig blanke Goldstücke 
hin, bei deren Anblick die Augen des Rezeptors zu funkeln anfingen, und 
nach denen der alte Hofschulze gar nicht hinsah. „Hier ist das Geld!" 
rief der Pferdehändler, die Faust geballt auf den Tisch stemmend, „krieg' 
ich die braune Stute dafür? Sie ist, weiß Gott, nicht einen Heller 
mehr wert." 
„Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht zu Schaden kommt," 
versetzte der Hosschulze kaltblütig. Sechsundzwanzig, wie ich gesagt habe, 
und keinen Stüber darunter. Ihr kennt mich nun die Jahre her, Herr
	        
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