Familie, Staat, Vaterland.
349
Der Hofschulze wusch in einem Stalleimer voll Wasser, welcher neben
dem kleinen Ambosse stand, sich Hände und Gesicht, goß dann das Feuer
aus und sagte: „Ein Narr, der dem Schmied giebt, ivas er selbst ver¬
dienen kann." Er nahm den Amboß, als sei er eine Feder, aus und
trug ihn nebst Hammer und Zange unter einen kleinen Schuppen zwischen
Wohnhaus und Scheuer, in welchem Hobelbank, Säge, Stemmeisen und
was sonst zu Zimmer- und Schreinergewerk gehört, bei Holz und Brettern
mancher Art stand, lag oder hing.
Indem der Alte sich unter dem Schuppen noch zu schaffen machte,
sagte der Pferdehändler zu dem Rezeptor: „Wollen Sie glauben, daß
der auch alle Pfosten, Thüren und Schwellen, die Kisten und Kasten im
Hause mit eigener Hand flickt, oder, wenn das Glück gut ist. auch neu
zuschneidet? Ich meine, wenn er wollte, könnte er auch einen Kunst¬
schreiner vorstellen und würde einen richtigen Schrank zuwege bringen."
„Da seid ihr im Irrtum," sprach der Hofschulze, der das letzte
gehört hatte und, das Schurzfell jetzt abgethan, im weißleinenen Kittel
aus dem Schuppen trat. Er setzte sich zu den beiden Männern an den
Tisch, eine Magd brachte ihm auch ein Glas, er that seinen Gästen
Bescheid und fuhr dann fort: „Zu einem Pfosten, zu einer Thüre und
Schwelle gehören nur ein paar gesunde Augen und eine firme Faust,
aber ein Schreiner braucht mehr. Ich habe mich einmal vom Hochmut
verleiten lassen und wollte, wir Ihr es nennt, einen richtigen Schrank
zuwege bringen, weil mir Hobel und Meißel und Reißschiene auch bei
dem Zimmerwerk durch die Hände gegangen waren. Ich maß und
zeichnete und schnitt die Hölzer zu, auf Fuß und Zoll hatte ich alles ab¬
gepaßt; ja, als es nun an das Zusammenfügen und Leimen gehen sollte,
war alles verkehrt. Die Wände standen windschief und klafften, die
Klappe vorne war zu groß und die Kasten für die Oeffnungen zu klein.
Ihr könnt das Gemächt noch sehen, ich habe es auf dem Sill stehen
lassen, mich vor Versuchung künftig zu wahren, denn es thut dem
Menschen immer gut, wenn er eine Erinnerung an seine Schwachheit vor
Augen hat."
In diesem Augenblick ließ sich ein lustiges Wihern aus dem Pferde¬
stalle gegenüber vernehmen. Der Pferdehändler räusperte sich, spuckte
aus, schlug sich Feuer an, blies dem Rezeptor eine starke Dainpfwolke
in das Gesicht, sah sehnsüchtig nach dem Stalle und dann gedankenvoll
vor sich nieder. Hierauf spuckte er nochmals aus, nahm den lackierten
Hut vom Kopfe, strich mit dem Arme über die Stirn und sagte: „Noch
immer eine schwüle Witterung." — Dann schnallte er seine lederne
Geldkatze vom Leibe, warf sie mit Getöse auf den Tisch, daß der Inhalt
klang und klirrte, löste die Riemen und zählte zwanzig blanke Goldstücke
hin, bei deren Anblick die Augen des Rezeptors zu funkeln anfingen, und
nach denen der alte Hofschulze gar nicht hinsah. „Hier ist das Geld!"
rief der Pferdehändler, die Faust geballt auf den Tisch stemmend, „krieg'
ich die braune Stute dafür? Sie ist, weiß Gott, nicht einen Heller
mehr wert."
„Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht zu Schaden kommt,"
versetzte der Hosschulze kaltblütig. Sechsundzwanzig, wie ich gesagt habe,
und keinen Stüber darunter. Ihr kennt mich nun die Jahre her, Herr