—
frage, wann er den Herrn Professor besuchen könne. „Mich besuchen?
Mich? Der Prinz von Preußen mich besuchen? Das muß ein Irrtum
sein. Sagen Sie Ihrem Herrn, daß ich es mir zur hohen Ehre an—
rechnen werde, ihm ineine Aufwartung zu machen. Bin ich auch krank,
so bin ich doch nicht bettlägerig“ Der Offizier erwiderte: „Allerdings,
Herr Professor, wollte Seine Königliche Hoheit Sie besuchen; denn er
achtet Sie sehr hoch. Wollen Sie aber sich zu ihm bemühen, so freue
ich mich, Sie begleiten zu dürfen.“ — Gellert zog schnell sein bestes
Kleid an, und nun ging's zum Prinzen. Der hohe Herr reichte dem
Professor sehr freundlich die Hand und sagte: „Ich freue mich ungemein,
den Dichter des Liedes: „Ich hab' in guten Stunden“ vor mit zu sehen.“
Wieder wußte Gellert nicht, ob's mit rechten Dingen zugehe, daß der
Prinz ebenfalls von diesem Liede sprach; getraute sich aber nicht, der
Sache genauer nachzufragen. „Man hat mir gesagt,“ fuhr der Prinz
fort, „daß Sie unwohl seien. Sie sitzen wahrscheinlich zu viel, sehen
auch nicht gesund aus.“ — „Mein Beruf macht das Studieren und
das Sitzen notwendig,“ erwiderte Gellert. — „Mag sein; aber Sie müssen
sich und dem deutschen Volke Ihr Leben zu erhalten suchen, sich mehr
Bewegung machen. Sollten ein Pferd halten und täglich ausreiten.“
— „Wohl wahr, Königliche Hoheit, mein Arzt rät mir's auch an; aber
nicht jeder hat die Mitlel dazu.“ — „Wohl wahr, Herr Professor, be—
sonders wenn man die letzten dreißig Thaler auf einmal einer armen
Haushaltung spendet.“ — Gellert senkte die Augen und wurde schamrot.
Der Prinz sah das, ergriff Gellerts Hand und sagte: „Edler Maͤnn, es
sei ferne von mir, das tadeln zu wollen, was Ihnen einen Gotteslohn
bringen muß. Erlauben Sie mir, Ihnen ein Pferd zu verehren, dessen
fromme Art es zu einem Reitpferde für einen Mann des Friedens ge—
eignet macht.“ Gellert wollte danken, aber die Worte stockten. Der
Prinz selbst war tief bewegt und sagie: „Ein Geschäft ruft mich jetzt
ab. Leben Sie wohl, teurer Mann!“
Gellert brauchte Zeit, sich zu sammeln. Als er zu seiner Hausthür
kam, hieben die Holzspalter drauf los, und es stand ein wunderschönes
Roß mit prächtigem Sattel und stattlich gezäumt vor derselben, und seine
Hauswirtin rief ihm zu: „Herr Professor, es geschehen Wunder und
Zeichen!“ Gellert aber dichtete aus dankerfülltem Herzen das Lied:
„Wie groß ist des Allmächt'gen Güte!“
Am Abend kam der Doktor. Da gab nun ein Wort das andere,
und der kleine, dicke Mann wollte fast zerspringen vor Lachen und
Herzensfreude, und endlich rief er, indem er Hut und Stock nahm:
„Diesmal hat Gott der Herr selbst die rechten Rezepte verschrieben und
gleich dafür gesorgt, daß die rechten Apotheker sie machen mußten.“
Nach Wilhelm Ortel (W. O. von Horn).
207. Die Worte des Glaubens.
1. Drei Worte nenn ich euch, inhalt- Das Herz nur giebt davon Kunde.
schwer, Dem Menschen ist aller Wert geraubt,
Sie gehen von Munde zu Munde; Wenn er nicht mehr an die drei Worte
Doch stammen sie nicht von außen her, glaubt.
2386