Full text: Für Unter-Tertia bis Unter-Sekunda (= III - I der Realschulen) (Prosah. 6, [Schülerband])

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Prosaheft VI. 
aber im März und April eines jeden Jahres werden in Trier große 
Weinversteigerungen gehalten, ans denen die bedeutendsten Produzenten 
von der Saar und Mosel ihre durchaus reingehaltenen Weine zum Ver¬ 
kauf bringen. Hierhin kommen die Vertreter der ersten Weinhändler 
nicht bloß der Rheinlands sondern auch ans Norddeutschland und selbst 
aus fremden Ländern, die Vorstünde von Gesellschaften und auch Private, 
welche als Freunde eines edeln, guten Weines dessen beste Sorten kennen 
und schätzen lernen wollen. Jedes zum Ausgebot kommende Fuder wird 
geprüft, indem jeder Anwesende — es sind oft bis zu 300 — eine kleine 
Probe erhält. Für den Beobachter ist es ein hochinteressanter Anblick, 
den Ausdruck auf den Gesichtern zu schauen, welchen der Wein hervorruft. 
Je nach der Güte folgen ans das erste Angebot noch die höheren 
Gebote, bald um 5 Mark, bisweilen aber auch um 100 Mark steigend. 
So werden Preise bis zu 25000 Mark für das Fuder von zirka 
1000 Liter erzielt. 
Diese außerordentliche Hebung des Preises ans den Versteigerungen, 
mit der natürlich die des Wertes von Grund und Boden gleichen Schritt 
hält, hat auf den gesamten Weinbau einen außerordentlich belebenden 
Einfluß ausgeübt. Überall, auch in den geringeren Lagen, wird sorg¬ 
fältiger gebaut und das erhaltene Produkt besser gepflegt, so daß in sonst 
nie genannten Orten heute hochedle Weine erzeugt werden. Und wenn 
auch der kleine Winzer zurzeit noch nicht in entsprechendem Maße an 
der Preissteigerung teilnimmt, so ist doch seine Lage schon erheblich besser 
geworden. Eine große Gefahr aber ist heraufbeschworen worden, näm¬ 
lich die Aufsaugung des Kleingrundbesitzes durch den Großgrundbesitz, 
das Verschwinden des kleinen, selbständigen Mannes, der zum Tagelöhner 
herabsinkt. 
79. Schkeswig-KoMein. 
Von Gustav Falke in Meerumschlungen. Ein lit.-hist. Heimatbuch, 
herausgegeben von Rich. Dohse. (Hamburg, Alsr. Janssen, 1907.) 
Schön ist unser Land, tüchtig sein Volk, gesund seine Sitten, sinnig 
seine Bräuche. Jeder Stand, jedes Handwerk hat seinen Boden im 
Lande. Den meisten aber hat der Bauer, der, der da Vieh züchtet, und 
der, der da Brot baut. 
Es ist wohl ein Bauernland, bis hart ans Meer hinan, dem noch 
mancher Fuß neuen Landes abgerungen wird, so viel es auch immer 
wieder davon verschluckt. Ein Bauernland mit seinen weiten, grasreichen, 
feuchten Marschen im Westen, wo die breiten Gräben das Wasser auf¬ 
nehmen und den Springstock im Gebrauch erhalten, und wo die glän¬ 
zenden Rinder hinter den schützenden Deichen sich und den Stolz ihrer 
behäbigen Besitzer nähren und mehren. Ein Bauernland mit dem weiten, 
hügeligen, sonnigen Geestgelände, wo Heide und Wald mit reicher, ge¬
	        
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