Full text: Litteraturkunde (Fünfter Teil = 9. bezw. 9. und 10. Schuljahr, [Schülerband])

86 
Die möchten sie auch alle gerne wiedersehen; 
Sie harren ungeduldig, wann endlich unsre Heimkehr wird geschehen." 
Da sprach wieder Hilde: „Gönnt mir noch hie 
Der Ehren und der Freude, so ward mir größre nie. 
Edler König Herwig, nun gebt mir das zu Lohne, 
Daß meine liebe Tochter bei mir armen tragen darf die Krone." 
Da ließ sie Sitze zimmern den Recken mehr und mehr; 
Wo bald in Ehren saßen bei ihr viel Helden hehr. 
Man hörte von der Hochzeit die Kunde weit ertönen; 
Gudrun, die schöne, ließ da Herwig der König krönen. 
Als die Minnigliche bei den Gästen saß, 
Da sandte sie nach Ortwein; darum that sie das, 
Sie hätt' ihm gern geraten, daß er Ortrun freite; 
König Ludwigs Tochter saß der schönen Gudrun dort zur Seite. 
Sie sprach: „Lieber Bruder, gehorchst du gerne mir, 
Aus herzlicher Treue raten will ich dir; 
Willst du rechte Freude dein Leben lang gewinnen, 
Wie du es immer fügest, so sollst du Hartmutens Schwester Minnen." 
Da sprach der edle Ritter: „Ist sie dir so bekannt, 
Daß ihr dienen sollte der Hegelinge Land, 
Ist sie so edler Sitte, so will ich gern sie minnen." 
Gudrun sprach: „Nie kannst du einen leiden Tag bei ihr gewinnen." 
Er sagt' es seinen Freunden; Frau Hilde widersprach; 
Herwig dem Recken sagt' er es danach; 
Der riet es ihm in Treuen; auch sagt' er es Herrn Frute; 
Der sprach: „Du sollst sie minnen; sie bringt dir viel der Recken mit, 
der guten. 
„Man soll den Haß versöhnen, den wir so lang' getragen; 
Wie wir das vollbringen, das will ich dir sagen," 
So sprach zu dem Fürsten der schnelle Degen Frute: 
„Wir wollen Hildeburgen dem Könige vermählen, Hartmuten." 
Als nun durch die Halle ging König Ludwigs Sohn, 
Von der höchsten zur geringsten nicht eine ließ davon, 
Daß sie ihm zu Liebe vom Sitze sich erhoben; 
Der Held war reich und edel, um seiner Kühnheit willen hoch zu loben. 
Zum Sitze lud ihn Gudrun, die minnigliche Magd; 
Es blieb ihm auch nicht einer Grüßen hier versagt. 
Da sprach die Tochter Hildens: „Zu meinem Gespiele 
Setze dich, Hartmut, die mit mir wusch dir und der Helden vielen."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.