Full text: Prosaband (Teil 9 der Ausgabe A, Teil 6 der Ausgabe B, [Schülerband])

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zog und ihn mit seinem Gott zusammenschloß, war auch die predigt 
von der Zusammengehörigkeit und Brüderlichkeit. 
Dem großen Heidenapostel hat das klar vor der Seele gestanden' 
in seinen kleinen Gemeinden, in denen jeder die Last des anderen trug, 
sah er im Geiste bereits eine neue Menschheit, und in dem Cpheser- 
brief hat er dem einen jubelnd freudigen Busdruck gegeben. 3m wesen¬ 
losen Scheine hinter diesen Gemeinden lagen die Gegensätze van Juden 
und Heiden, Barbaren und Griechen, vornehm und gering, reich und 
arm. Line neue Menschheit war vorhanden. Der Bpostel schaute 
sie als den Leib Christi an, in welchem jedes Glied dem andern dient 
und jedes an seiner Stelle notwendig ist. In Stunden hoher Begeisterung 
nahm er im Blick auf diese Gemeinden, trotz ihrer Kümmerlichkeiten 
und Schwächen, die Entwicklung von Jahrtausenden vorweg. 
Adolf harnack. 
3. Soziale Arbeit — eine Lebensaufgabe unserer Zeit. 
In einem der schönsten Chöre der Bntigone wird die Herrlichkeit 
des Menschen und seine Herrschaft über die Llemente mit mächtigen 
Worten gepriesen:- 
vieles Gewalt'ge lebt, und nichts 
Ist gewaltiger als der Mensch, 
Venn selbst über die dunkele 
Meerflut zieht er, vom Süd umstürmt, 
hinwandelnd zwischen den wogen 
Die rings umtoste Bahn. 
Und nun wird in gewaltigen Bildern weiter geschildert, wie der Mensch 
die Natur in seinen Dienst zwingt, wie seine pflüge die ewige Erde 
durchwühlen, wie er den mähnigen Nacken des Rosses und den freien 
Stier der Berghöhe unter sein Joch beugt, wie er den Negenpfeilen 
des Zeus und dem ungastlichen Frost zu entfliehen weiß und nichts 
Zukünftiges ihn ratlos trifft. 
was den antiken Dichter mit Staunen vor dev Macht des Menschen¬ 
geistes erfüllte, erscheint uns heute nicht mehr wunderbar. Über unsere 
Zeit hat den Menschen zu so neuen, so viel mächtigeren Leistungen ge¬ 
führt, hat ihn die Natur in so viel gewaltigerem Maße beherrschen ge¬ 
lehrt, daß wir wiederum staunend vor seinen Werken stehen. Cs klingt 
wie eine Fortsetzung des antiken Chors, wenn Geibel die Herrschaft der 
neuen Zeit über die Natur und die Elemente verherrlicht: 
In tausend Schmieden bei der Essen Brande 
Gießt sie das Crz und schweißt in Cisenbande 
Die weiten Länder, die ihr untertan,- 
vom müden Saumroß, das sich wund getragen, 
Nimmt sie das Joch und schirrt vor ihren wagen 
Den Dampf, den wilden Riesen, an.
	        
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