481
verschiedensten Richtungen hin anregt, so begreifen wir, wie infolge
jener sich durchdringenden und belebenden Gegensätze der Boden Grie¬
chenlands ein so jugendfrisches, hochbegabtes Volk wie die Griechen zur
höchsten harmonischen Ausbildung aller Kräfte des Geistes und Gemütes
erziehen konnte.
Freilich fehlen auch beim Meere die Schattenseiten nicht. Trotz
der hohen Vervollkommnung unserer Fahrzeuge, trotz aller Vorsichts¬
maßregeln und Instrumente (wie Leuchttürme und Signale, Kompaß
u. s. w.) fordert das Meer alljährlich eine große Anzahl von Opfern
an Menschenleben, und neben dem günstigen Einflüsse übt es auch man¬
chen ungünstigen auf die Anwohner aus; zwar macht der bestän¬
dige Umgang mit dem Meere die seefahrenden Nationen kräftig, uner¬
schrocken, besonnen, beweglich und freiheitsliebend, aber er bewirkt auch,
daß ihre Jdeeu nüchtern und einförmig sind, wie das Meer, daß die
Seefahrer mit ihrer Kraft selten Anmut und Milde verbinden, daß die
Söhne des Oceans in ihrem Leben gleichsam den Reflex der unbestän¬
digen, schwankenden Wogen bewahren, welche sie seit ihrer Kindheit
gewiegt haben, sowie endlich, daß die Freiheitsliebe nicht selten aus¬
artet und einerseits zu Rohheit und Ausschweifungen, andrerseits zu
Strandräuberei oder gar Korsarentum führt.
Aber alle diese Schattenseiten sind doch unbedeutend gegenüber dem
vielseitigen Nutzen, welchen das Meer den Menschen bringt. Auch der
Verkehr zu Lande fordert Opfer, und das Unwesen der Seeräuber hat
immer nur kurze Zeit gedauert; vor allem aber läßt sich kaum denken,
wie sich der Verlauf der Geschichte und der Kultur überhaupt geändert
haben würde, wenn z. B. Europa nicht so günstig von der Natur be-
anlagt gewesen wäre, daß es neben dem Landverkehr auch den Seever¬
kehr hätte pflegen können. Festhaltend an der Barbarei der Urzeit
würden vielleicht seine Völker einander fremd geblieben sein, kein Aus¬
tausch der Ideen würde stattgefuildeu haben, und die Erde, so klein
sie ist, würde vielleicht noch heutzutage größtenteils unbekannt und un¬
erforscht sein! Hoffmann.
119. Der südliche Sternenhimmel.
Deit wir in die heiße Zone eingetreten waren, konnten wir jede
Nacht die Schönheit des südlichen Himmels nicht genugsam bewundern,
welcher in dem Maße, als wir nach Süden vorrückten, neue Sternbilder
unsern Augen entfaltete. Man hat ein wunderbares Gefühl, wenn man
bei der Annäherung gegen den Äquator, und besonders, wenn man
Mailänder, Deutsches Lesebuch. IV. Zs