Full text: [Teil 5 = Untertertia, [Schülerband]] (Teil 5 = Untertertia, [Schülerband])

Dahn: Ein alemannisches Heerding. 
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schweigt? — Das ganze Volk konnte der Ungehorsam verderben? Wie? 
Ihr weigert mir, das Recht zu weisen?" fuhr der Alte grimmig fort, 
„oder solltet ihr Graubärte nicht mehr wissen, was schon die Knaben 
lernen? — Gebt Bescheid, weiset mir das Recht!" — und drohend stand 
er auf, — „oder ich reiße den Dingschild von der Esche und klage den 
Göttern: Die Alemannen haben ihres Volksrechts vergessen! Was steht 
auf Heerverrat und Heerbannbruch?" — »Der Tod!« scholl es jetzt mit 
vielen Stimmen. »Ich wußte es,« sagte der Fischer schlicht; »lebt wohl, 
Landsleute! Sieg und Heil wünsch' ich euch.« Aber der Herzog fragte 
weiter: „Welches Todes muß er sterben? durch Weidenwiede? durch 
Wasserwoge? burci) rotritzendes Messer oder durch rotbrennendes Reisig?" 
Da trat einer der beiden Alten wieder vor und sprach: „Er hat 
durch die Tat Ziu, den Kriegsgott, gekränkt und Wodan, den Siegsender. 
Ziu heischt Blut auf dem Opferstein, — Wodan will ihn wehen wissen 
im Winde. Wodan ist der größere Gott und Zins Vater; es weicht 
der Niedere, es weicht dem Vater der Sohn; Wodans Recht geht vor; 
der Bannbrecher ist Wodan geweiht, — er wird gehängt am Weiden- 
strang unter dem Kinn, das Antlitz gen Mitternacht, an dürre Eibe, 
ein Wolf ihm zur Rechten und ein Wolf ihm zur Linken, des friedlosen, 
rechtlosen Rechtsbrechers ältestes Abbild." „Er ist Wodan geweiht," 
wiederholte der Richter feierlich, „wenn Wodan ihn will! — Fragen 
wir den Gott!" 
Mit Staunen blickten alle, mit leiser Hoffnung der Verurteilte zu 
dem Alten auf, der nun fortfuhr: „Schimpflich und schandvoll ist es 
dem Manne, zu schaukeln zwischen ben Zweigen, zwischen Himmel und 
Hügel! Und er war wacker bisher, — nur gegen seines Kindes Weinen 
war er zu weich! Nutzlos seinem Volke stirbt er, hängt er da hoch am 
Holze. Wohlan, fragen wir Wodan, ob er vielleicht ihm vergibt! Wolltet 
doch ihr alle, wie der Kläger selbst, zuerst die Tat ungestraft lassen. 
Das ging nicht an! Dem Hohen muß sein Recht dargeboten werden, 
aber — vielleicht will er es nicht nehmen. Ich rate: Fiskulf soll eine 
Tat wagen, in der er zu seines Volkes Heil fällt, unmeidbar fällt, wenn 
nicht etwa Wodan selbst sich seiner erbarmt und ihn rettend davontrügt 
in dem weithin wallenden Mantel." 
»Sprich, rede! Was darf ich tun?« rief der Mann mit leuchtenden 
Augen; »alles, alles! Gern will ich den Speertod sterben, nur nicht 
den Strang der Schmach!« „Du sollst zuerst vor allen anderen auf das 
stolzeste Schiff des Römerführers fpringen und — du verstehst dich ja 
so gut darauf, die Flamme zu wecken — Feuer werfen in seine Segel." 
»Ja, ja! das soll er! Heil dem Herzog!« riefen da Tausende. Der 
Fischer aber sprang hart an den Stuhl des Richters, hob beide Hände 
zu ihm auf und rief: »Dank dir, Herzog! Ja, du kennst Wodans wahren
	        
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