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vom Vater früh zu einem gelehrten Berufe bestimmt, ohne materielle Not
und ohne schwere innere Kämpfe eine humanistische Bildung auf
Schulen in Basel und Bern und seit 1500 auf den Universitäten
in Wien und Basel (1502—1506). In Basel machte er sich mit der
scholastischen Philosophie vertraut und begann das Studium der Theo-
1 ogie. 1506—10 durch Wahl der Gemeinde Pfarrer in Glarus, studierte
er eifrig die Vulgata, aber mindestens ebenso eifrig die Klassiker, und begann
eine grosse Bibliothek hauptsächlich humanistischer Richtung zu sammeln.
Er wirkte auch als humanistischer Lehrer und galt bald als der Führer
des Humanismus in der Schweiz. Er bekämpfte aus sittlichen
und patriotischen Gründen das „Reislaufen“ und das Unwesen der
Pensionen, billigte aber noch den Kriegsdienst für den Papst, „den seligen
Statthalter Christi“, und machte als Feldprediger die Schlachten
bei Novara 1518 und bei Marignano 1515 mit. Er bezog bis 1520
eine päpstliche Pension. Seit etwa 1515 begann er an der von der Kirche
gelehrten und geübten Heilsvermittelung zu zweifeln, griif aber noch lange
die kirchlichen Institutionen nicht an. Seit 1513 war er ernstlich be¬
müht, das Griechische gründlich zu erlernen, um die Lehre
Christi aus der Urquelle zu schöpfen und die Kirchenväter zu studieren. Da
durch die von ihm bekämpfte französische Partei seine Stellung in Glarus
schwierig wurde, ging er als „L e u t e p r i e s t e r“ nach Einsiedel, Okt. 1516,
welches Wallfahrtskloster damals ein Sammelpunkt humanistischer Aufklärung
war. Durch seine Studien immer mehr ein Gegner der kirchlichen
Heilslehre, betonte er in seinen Predigten den geringen Wert der guten
Werke. Er setzte seine klassischen Studien, aber auch die eindringende
Lektüre der Kirchenväter fort, stand in regem Verkehr mit den Baseler
Humanisten, insbesondere mit Erasmus, und begann das Studium des Hebräischen.
Ende 1518 wurde er von den Chorherren des Grossmünsters in Zürich,
wo der Rat schon einen beträchtlichen Teil der kirchlichen Gewalt in Händen
hatte, zum Leutepriester gewählt. Von Neujahr 1519 an predigte er
über biblische Bücher, wobei er Laster und Aberglauben, auch allgemeine
politisch-soziale Missstände rücksichtslos bekämpfte. Bei seinem Auftreten
gegen den Ablassprediger Bernhard Samson wurde er vom Rat der Stadt Zürich
(auch vom Konstanzer Bischof) und der Tagsatzung, die jenem alles öffent¬
liche Auftreten untersagten, unterstützt (Frühjahr 1519). Der römische Stuhl,
der die Eidgenossen für seinen Schutz und seine Kriege benötigte, tadelte
Samson in einem öffentlichen Schreiben. Auch in Zürich war Zwingli als
Lehrer thätig und setzte sein Studium der alten Litteratur fort. Seine mann¬
hafte Pflichterfüllung während einer Pest steigerte seinen Einfluss, und eigene
Erkrankung brachte ihm religiöse Vertiefung. Der römischen Kirche schon
längst innerlich entfremdet, wurde er durch das Studium der Luther’sehen
Schriften insbesondere in betreff der Lehre vom alleinseligmachenden Glauben
gefördert, ging aber in der Verwerfung der römischen Lehre schon weiter
(z. B. Fegfeuer, Fürbitte der Heiligen). Die Kirche blieb für ihn auch eine
soziale Institution, und nach seiner Auffassung des Christentums setzte er
seiner Reformation stets das Ziel, die allgemeinen Lebens¬
ordnungen umzugestalten. Auch hielt er das humanistische
Lebens ideal immer fest. Er setzte es Juni 1521 durch, dass Zürich
dem französischen Bündnis fern blieb, das alle andern Orte eingingen; als ein
Zuzug, den der Rat bald darauf wider Zürichs Ansicht dem Papst bewilligte,
trotz gegenseitiger Zusage gegen Frankreich (Mailand) verwendet und der
grösste Teil des Soldes nicht bezahlt wurde, verbot Anfang 1522 der Rat
jedes Reislaufen und alle Werbungen. Dagegen nahm die Tagsatzung einen
im Frühjahr gefassten entsprechenden Beschluss bald wieder zurück, und die
Schwizer schlossen wieder ein Bündnis mit Frankreich. Durch diesen politischen