Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

Die olympischen Spiele. 
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Muster der Vorzeit gefeiert wurde, da sollte durch den Marathon⸗ 
lauf jenem edlen Krieger ein Denkmal gesetzt werden. Dreiundzwanzig 
Bewerber hatten sich gestellt, und dem jungen griechischen Bauern 
Louis gelang es, die vierzig Kilometer lange Wegstrecke in zwei 
Stunden und 59 Minuten in gutem Befinden als erster zurückzulegen. 
Kehren wir in die Altis von Olympia zurück! Die Stunde 
der Ringkämpfe ist da, und bei diesem anziehenden Schauspiele 
darf man nicht fehlen. Die Bedingungen sind sehr schwer. Nach 
dem Gesetz werden nämlich zunächst durch das Los Paare gebildet. 
Sieger in diesen einleitenden Kämpfen ist jedesmal der, welcher seinen 
Gegner dreimal zu Boden geworfen hat. Wahrlich eine schwere und 
außerordentlich anstrengende Arbeit! — und doch nicht die schwerste; 
denn wie im Laufe die Bewerber zu vieren antreten, und dann die 
ersten der verschiedenen Abteilungen sich zu messen haben, so werden 
auch hier die Sieger einander gegenübergestellt, und der Preis fällt 
dem zu, der in einer ganzen Reihe von Ringlämpfen den Platz be⸗ 
hauptet hat. Mit welcher Spannung, ja fieberhaften Aufregung 
wird da jeder einzelne Wettkampf verfolgt! Lauernd stehen sich 
die Ringer gegenüber, zwei stoßenden Widdern vergleichbar; die 
Arme sind vorgestreckt, die Beine gespreizt, die Kniekehlen eingebogen, 
der Kopf in die Schultern gedrückt; mit scharfem Blicke wird jede 
Bewegung beobachtet, um den geeigneten Augenblick zum wirksamen 
Angriff zu erspähen. Jedes Mittel des Angriffs, jede List und 
Finte ist erlaubt. Gelingt es nicht, die Arme oder Lenden des Geg⸗ 
ners zu pacen, so bietet sich wohl Gelegenheit, ihm von hinten auf 
den Rücken zu springen, ein Bein zu stellen, oder, was am meisten 
gefürchtet wird, die Kehle mit festem Griffe zusammenzuschnüren. 
Die deutsche Turnschule hat sich die Erfahrungen der klassischen 
Vorzeit nur insofern zu nutze gemacht, als sie das Gesunde gelten ließ. 
Schwere Verletzungen, die von einem friedlichen und edlen Kampfe 
ferngehalten werden müssen, waren in Olympia keine Seltenheit. Es 
verdient deshalb volle Billigung, wenn unsere neuzeitlichen Gesetze 
nur den Rumpf vom Naden bis zu den Hüften und die Arme als 
Gegenstand des Angriffs gelten lassen, schmerzhafte Griffe und un—⸗ 
ritterliches Beinstellen verbieten. 
Mit dem Sonnenaufgang des vierten Festtages eilt die schau— 
lustige Menge dem im Südosten des Kronoshügels gelegenen Hippo⸗ 
drome zu, wo in zwölfmaliger Umkreisung der Bahn die Vier—⸗ 
gespanne um den Preis ringen sollen. Wir folgen dem Strome 
nicht, lassen uns durch Glanz und Reichtum nicht locken. Wie durch 
den Faustkampf später die Roheit in Olympia großgezogen worden 
ist, so ward die Prunksucht durch die Schauspiele des Hippodroms
	        
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