Pöppig: Reisebilder aus den Anden.
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ist, leicht vom steinigen Boden, und man türmt von ihm einen großen
Vorrat auf; denn solches Feuer ist ebenso leicht vergänglich als wärmend.
So wurde dann das einfache Gericht bereitet, von dem der treue Hund
seinen wohlverdienten Anteil erhielt, und nachdem alle Arbeiten beendet
waren, schloß eine Scene von Luxus das beschwerliche Tagewerk. Em
Becher mit chinesischem Thee dampfte, und der immer neue Begleiter
langjähriger Reisen, der herrliche Shakespeare, verlor auch in dem ein¬
samen Engpässe der Anden nichts von seinem Zauber. Langsam hatte
sich das Maultier dem Feuer genähert und sah mit halbverständigem
Blick auf die Scene; denn selbst diese Tiere schließen sich in der Mitte
dieser gewaltigen Schöpfung dem Menschen halbverschüchtert an. Die
umgebende Stille ist tief, fast schaurig, und die am Tage wenig belebten
Felsschluchten erscheinen nun doppelt erstarrt oder gleichsam erstorben,
indem ihre Bewohner nur Tagetiere sind, die mit dem eintretenden
Dunkel verschwinden. Kein Nachtschmetterling, den das Feuer blendete,
kein sumsendes Insekt, selbst nicht der klägliche Ruf des chilenischen
Caprimulgus vertreiben den Glauben, daß man das einzige lebende
Wesen in der Mitte der weiten Wildnis sei. So groß ist die Leblosig¬
keit, welche hier für immer ihren Thron aufgeschlagen zu haben scheint,
daß man fast Zweifel fühlen möchte, ob man dieser vielbewegten
Menschenwelt noch als einer ihrer Bürger angehöre. Kaum vernehm¬
bar tönt, auf dem leisen Nachtwind herbeigetragen, das Rauschen des
entfernten Gebirgsstromes, und nur selten hört man ein dumpfes
Rollen, welches, da es mit keiner Erderschütterung verbunden auftritt,
wohl auf keinen Fall vulkanisch, aber dem Chilenen bekannt ist und
von ihm gläubig für ein Zeichen genommen wird, daß die Gebirge
zürnen. Der Himmel glänzte von den unzähligen Sternen des Südens,
und eine ungewöhnliche Menge von sehr hellen Sternschnuppen durch¬
schnitt das Firmament, während die sparsameren Schneegipfel mit
gleichbleibendem Schein wie Geistergestalten leuchteten. Diese Nacht¬
feier, die so wenig mit der Prosa des europäischen Lebens gemein
hatte, wurde jedoch bald auf höchst störende Weise unterbrochen. Das
Maultier hatte plötzlich sein Seil zersprengt; es stürzte, gleichsam um
in des Menschen Nähe Schutz zu suchen, auf das Feuer los, und wild
bellend sprang der Hund auf. Das Barometer war aufgestellt geblieben,
um zeitig am Morgen von neuem beobachtet zu werden; es wurde
umgestürzt, und unter dem Hufe des Tieres lagen nun Röhre, Scalen
und Schrauben zertreten am Boden. Mechanisch wurde nach dem Ge¬
wehr gegriffen, indessen nur zwei oder drei Gestalten waren in undeut¬
lichen Umrissen bemerklich, im Begriff sich eilig zu entfernen. Es
waren Pumas oder Löwen, wie die Chilenen sie nennen, feige Tiere
von bedeutender Größe, die in den Cordilleren sehr häufig sind, fast
nie den Menschen angreifen, selbst an den Schlafenden sich kaum wagen,
vor jedem Hunde fliehen, aber die verderblichsten Feinde der Haustiere
sind. Bei der Unsicherheit des Ziels waren beide Schüsse einer Doppel¬
flinte ohne Wirkung; trauernd über den unersetzlichen Verlust suchte ich
das Lager auf, und die Nacht wurde ohne neue Störung verschlafen.