Das Prätorium, die Baracken der Soldaten, die Türen und Fenster der
stattlichen Villa, die Wohnhäuser der ausgedehnter: bürgerlichen Nieder¬
lassung werden mit Kränzen und Laubgewinden geschmückt. Jeder Soldat
legt sein bestes Lederzeng zurecht, putzt seinen Helm, die Verzierungen des
Schildes und die Waffen blank und macht die metallenen Ehrenzeichen
zurecht, die an Lederstreifen aufgereiht manchem in: Dienste ergrauten
Zenturio die narbenreiche Brust fast ganz bedecken. Bildsäulen des
Genius der Zenturien, die als fegen- und siegeverleihende Gottheiten in
den Lagergassen aufgestellt sind, tragen Blumenkränze auf dem Haupte.
Die Frauen der Offiziere wollen in feinster Toilette erscheinen. Nach¬
dem sie ihr Haar sorgfältig gekämmt und mit wohlriechendem Öle gesalbt
haben, scheiteln sie es sorgfältig vor einem Metallspiegel oder Glasspiegel
mit Goldfolie. Sie legen goldene Ohrringe an, schmücken den Hals mit
kleinen Ketten, die Finger mit Ringen; ein Armband aus blauem Glase
ziert den Arm. Gewandnadeln mit schöner Emailleverzierung halten das
Gewand ans der Schulter zusammen. Den Fuß schmücken Sandalen, deren
Lederriemen durch eingepreßte Goldornamente und durch einen gelben
Topas verziert sind.
Jetzt ertönt der durchdringende rauhe Klang der Tuba im Kastell
und verkündet den Beginn des religiösen Teils der Feier. Im Hofe des
Prätoriums haben sich sämtliche Offiziere versammelt. Auserlesene Mann¬
schaften marschieren in festem, taktmäßigem Schritt herein und stellen sich
dem kleinen, tempelähnlichen Fahnenheiligtnme an der Ostseite des Prä-
toriums gegenüber aus. Die Türflügel der Kapelle sind weit geöffnet.
An der Hinterwand sind die signa der Kohorte sichtbar, davor die
Büsten des Kaisers und der Kaiserin, der „Mutter des Lagers". Von
einem Altar steigt der Dampf von Weihrauch empor. In einem formel¬
haften Gebete, währenddessen die Umstehenden andächtig die Hände zum
Himmel erheben, wird Jupiter Optimus Maximus angefleht um seinen
Schutz für den Kaiser, den Vater des Vaterlandes, und für das ganze
Kaiserhaus, und der Kriegsgott Mars wird angerufen, alle Feinde des zu
ewiger Dauer bestimmten Römerreichs niederzuwerfen. Darauf wird ein
feierliches Opfer gebracht. Inzwischen haben sich die Truppen auf der
fast 10 Meter breiten via principalis in Parade aufgestellt. Der Höchst¬
kommandierende besteigt den Suggestus, ermahnt die Soldaten in einer
Ansprache zu unverbrüchlicher Treue gegen den Kaiser und fordert sie zu
einem Heilrufe zu Ehren des Herrschers auf. Damit schließt der amtliche
Teil der Feier.
Zur Unterhaltung der Mannschaften sind inzwischen mancherlei Vor¬
bereitungen getroffen worden. — Die ovale Reitbahn nördlich vom Prü-
torium ist von hölzernen Gerüsten umgeben, die mehrere Reihen stufen¬
weise aufsteigender Bänke tragen. Auf diesen Sitzplätzen drängen sich
Soldaten und Bewohner der Lagerstadt, um den Wettkämpfen zuzuschauen.