Full text: Deutsches Lesebuch für Volksschulen

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durch den Schlamm fortarbeitenden Soldaten. Da redete Blücher 
seine Schaaren mit tiefster Bewegung und Kraft an: „Kinder, wir 
müssen vorwärts! Es heißt wohl, es geht nicht, aber es muß 
gehen! Ich hab's ja meinem Bruder Wellington versprochen! Ich 
hab' es versprochen; hört ihr wohl! Ihr wollt doch nicht, daß 
ich wortbrüchig werde!" Und da ging es wirklich mit Gottes Hilfe 
dem Ziele entgegen. 
Unterdessen wurde Wellington hart bedrängt. Mit gewaltigem 
Ungestüm hatte ihn Napoleon angegriffen. Aber die englischen Krie¬ 
ger standen wie eherne Mauern. Wellington war überall. „Kinder, 
wir müssen uns tapfer halten", rief er ihnen zu, „wir dürfen nicht 
geschlagen werden; was würde man in England sagen?" Als Na¬ 
poleon die Kunde von der Annäherung der Preußen erhielt, da wollte 
er um jeden Preis das englische Centrum durchbrechen. Er sammelte 
seine Reiterei, auch die auserlesenen Regimenter der schweren Garde- 
Kavallerie. Das Geschütz mußte ihnen folgen, und wie ein Gewitter¬ 
sturm brach der furchtbare Andrang auf die Engländer los. Welling¬ 
ton traf kalt und ruhig seine Gegenmaßregeln, und als die Gefahr 
am höchsten stieg, setzte er sich entschlossen auf die Erde nieder mit 
den Worten: „Hier, Soldaten, bleibe ich und weiche kei¬ 
nen Fuß breit." Als er aber seine besten Kräfte immer mehr 
zusammenschmelzen sah, da schaute er sehnsüchtig nach seinem Waffen¬ 
bruder aus und sprach seufzend: „Ich wollte es wäre Nacht, oder 
die Preußen kämen!" Und horch, da rollte Kanonendonner im Rücken 
und zur Rechten der Feinde! Die Preußen kamen. „Der alte 
Blücher ist da!" rief Wellington laut, und Thränen brachen aus 
seinen Augen. Mit Trommelwirbel und Trompetengeschmetter stür¬ 
men nun die Engländer und Preußen von drei Seiten auf den Feind 
ein. Es entsteht ein gräßliches Blutbad. Tie französischen Garden 
kämpfen mit dem Muthe der Verzweiflung. Vergeblich ist ihr helden¬ 
mütiger Widerstand. Bald ertönt aus den Reihen der Franzosen 
der Ruf: „Rette sich, wer kaun!" Nun wurde die Flucht allgemein, 
und die einbrechende Nacht mehrte die Verwirrung. 
Mit lautem Jubel setzten die Preußen unter General Gneisenau 
dem Feinde nach.und machten reiche Beute. Kaum entrann Na¬ 
poleon selbst ihren Händen, indem er aus seinem Reisewagen ent¬ 
sprang, den er sammt Hut, Mantel und Degen, Orden und Kleinodien 
zurückließ. 
Noch in derselben Nacht schrieb Blücher vom Schlachtfeld aus 
an den Fürsten Schwarzenberg: „Mein Freund! Die schönste 
Schlacht ist geschlagen, der herrlichste Sieg ist erfochten. Ausführ¬ 
licheres wird folgen. Ich denke, die Bonapartische Geschichte ist nun 
vorbei Ich kann nicht mehr schreiben, denn ich zittere an allen 
Gliedern; die Anstrengung war zu groß. Blücher." An sein Heer
	        
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