Full text: [Theil 1, [Schülerband]] (Theil 1, [Schülerband])

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Nun soll, bei Kaisers Bann, 
sich selbst zu retten, 
Nch, seinen treusten Mann, 
»er Landgraf hängen in Ketten! 
^ Ziegenhain, unselige Stadt, 
wo echte Treu solch Ende hat." — 
2. Des Kaisers Abgesandter ruft: „„Hängt ihn an das Thor!"" 
Da führt der Landgraf selber den edlen Helden vor: 
„Wolan, aus Kaisers Bann 
wich selbst zu retten, 
will ich den besten Mann 
nun hängen hier in Ketten. 
Doch, weil er mir treu war und hold, 
nehm' ich die Ketten von lautrem Gold!" 
3. Des Kaisers Abgesandter wend't nichts dagegen ein, 
der Landgraf schlingt um Lüder nun Kett' und Edelstein, 
hängt ihn nur wenig an 
wit solchen Ketten 
und spricht: „Aus Kaisers Bann 
8'nüg' es mich zu erretten!" — 
und löset ihn ohn' allen Schmerz — 
„Komm, treuer Lüder, an mein Herz!" — 
4. Des Kaisers Abgesandter meint: „„Das genüget nicht!"" 
Der Landgraf aber, Thränen und Zorn im Auge, spricht: 
„Wollt Ihr des Kaisers Wort 
anders auslegen, 
so meidet diesen Ort! 
Ihr seid allzu verwegen! 
Der Kaiser prüft mich, seinen Mann, 
ob echte Treu ich ehren kann!" 
162. Frieärick Wikstekm, äer große Kurfürst. 
Kduard Doller und William I’iersnn. 
Geschichte des deutschen Volkes. II. Bd. 
5. Au«. Berlin. 1874. 8. 130. 
Nach Beendigung des dreißigjährigen Krieges genoß Deutschland 
für einige Zeit die ersehnte Ruhe. Aber bald gerieth es in neue 
Verwickelungen, herbeigeführt durch die unruhige Ruhm- und Eroberungs¬ 
sucht seines westlichen Nachbars, des Königs von Frankreich. Die deutsche 
Kaiserkrone war im Jahre 1657 durch Ferdinands III. Tod erledigt 
worden. Da bot nun Ludwig XIV. alles aus, Versprechungen und 
Bestechungen, um die Wahl der Kurfürsten auf sich selber hin- oder 
wenigstens vom Hause Habsburg abzulenken. Auch gewann er die 
katholischen Kurfürsten; aber zum Glück für unser Vaterland durchschauten 
nach seiner Rückkehr Heinz von Lüder unter dem Ziegenhainer Thore in Ketten 
aufhängen lassen, und zu dem Ende wurde ein kaiserlicher Abgeordneter als 
Augenzeuge mitgegeben. S. Grimms Sagen H. Theil. Berlin. 1866. S. 313.
	        
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