Full text: Lesebuch für die 5., 6. und 7. Klasse der pfälzischen Volksschulen

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Das ist das einsame Jägerhaus in der Kaiserklause. Jetzt aber 
herrscht der tiefe Winter dort. Zwischen den Zweigen der Tannen 
liegt das Eis, der letzte grüne Halm ist erstarrt, der Vogel duckt sich zu— 
unterst in das Geäste. Über die pfadlosen Wege schreitet der Hirsch 
und nagt an den braunen, saftlosen Rinden; seine Glieder zittern, in 
den forschenden Augen steht eine Träne, als wollt' er in stummer Hilf— 
losigkeit die Natur verklagen. Immer gewaltiger, immer dichter fällt 
der Schnee, alles, was noch lebt, lebendig begrabend; so unerschöpflich, 
so grauenhaft sind die Massen, die sich langsam niedersenken. Unsichtbar 
und ungehört ringt jetzt ein tausendfaches Leben den Kampf ums 
Dasein. Millionen Keime erwachen niemals wieder. Unerbittlich 
schleicht das Raubtier um diese Zeit durch die Wälder; kein Laut, nur 
die Spur im Schnee, durch den es die Beute schleift, verrät seine List, 
und wo ein Tier vor Hunger starb, kreisen die Sperber über seiner 
Leiche. Der Wind saust des Nachts durch den Wald und schmettert 
Tausende von Stämmen zu Boden, daß es klingt wie ein fernes 
Schlachtgetümmel; man hört stundenweit das stöhnende Gekrach; dann 
wird es wieder stumm — und ringsum die alte Grabesstille. 
Wir treten über die steinerne Schwelle des Forsthauses, die vom 
Eise starrt, und freudig winselnd grüßt uns der braune Sühnerhund. 
Wenn wir die Stubentüre öffnen, dann strömt uns die warme Luft ent— 
gegen. In einem Forsthaus darf man nicht frieren und darum glüht uns 
der ungeheure, grüne Ofen so trotzig an, als wollte er allein den Kampf 
mit dem Winter bestehen. Hinter der Tür hängt der Wettermantel 
des Försters; eine breite Bank läuft rings um die Wand und 
schnarchend liegt dort der Jägerbursch um von den Mühen seines 
Fanges zu ruhen. Auf der Strohdecke am Voden aber kauert der 
Dachshund und träumt von seinen Heldentaten, von hohem Gestrüpp 
und vom Dunkel der Fuchshöhlen, aus dem ihm zwei zornige Augen 
und spitzige Zähne entgegendrohen. Man sieht, wie ihn der Traum 
erregt, wie er die Lippen emporzieht und das Gebiß zeigt. Neben ihm 
liegt sein treuer Gefährte, ein Jagdhund von hohem Wuchse und 
mächtiger Gestalt; der hat den Kopf sinnend auf die Pfoten gelegt und 
blickt uns mit treuen, forschenden Augen an. 
Das Tagewerk des stillen Försterhauses im Winter ist eintönig 
und karg. Nur ausnahmsweise, wenn die Massen von Schnee hart 
gefroren sind, daß sie die stärksten Lasten tragen, findet der Jäger über 
sie den Pfad und dringt bis an die Futterstätten vor, die an den gedeck— 
testen Plätzen des Waldes liegen und wohin die scheuen Rudel gezogen 
kommen, wenn ihnen der Jäger den Hafer oder andere Nahrung 
aufschüttet. 
Auch die Holzarbeit wird im Winter betrieben, nicht das Fällen
	        
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