Full text: Lesebuch für die Oberklassen katholischer Volksschulen des Regierungsbezirks Düsseldorf

160 
133. Der gute Unecht. 
Bertold Kuerbach. 
Der Gutsbesitzer Vormann hatte einen braven Knecht. Daß der 
Knecht brav war, erfuhr Vormann zuerst durch eine kleine Begeben¬ 
heit, an die sich später viele andere reihten. 
Ts war ein heißer Mittag, als der Knecht Konrad mit seinen 
Pferden vom Kckern heimgekommen war. Die beiden Pferde wurden 
abgeschirrt und gefüttert,- denn ein Tier kommt nicht zu rechter Kühe, 
solange es das Geschirr auf dem Leibe hat. Träge Knechte aber 
wollen davon nichts wissen, um sich die Mühe des Rb- und Rufschirrens 
zu ersparen. Das tat aber Vormanns Konrad nicht, und es kann 
wohl sein, daß ihm selber darum auch das Mittagessen um so besser 
mundete. 
Der Streit ist noch unentschieden, wann die Pfeife am besten 
schmeckt, nach dem Mittagessen oder am Feierabend. Unser Konrad 
hatte sie immer gleich gern. Ts war ein eigenes Behagen, mit dem 
er sich nach dem Mittagessen aus den Stein an der Stalltür setzte und 
mit einem gesunden Strohhalme seinem Pfeifenrohr Lust machte, nach¬ 
dem er den frischgestopften runden Pseifenkopf auf den Sims des klei¬ 
nen Stallfensters gelegt hatte. Rls er jetzt nach dem Pfeifenkopse 
griff, rollte dieser hinunter und ganz unversehrt in den Stall auf eine 
Strohschütte. Schon wollte Konrad aufstehen und in den Stall gehen, 
um den Pseifenkopf zu holen, aber plötzlich hielt er wieder inne. Er 
sah, daß die Pferde sich niedergelegt hatten, und er wußte, daß sie 
aus der ihnen so nötigen Kühe aufspringen würden, wenn er in den 
Stall träte. Tr setzte sich daher wieder ruhig nieder und hielt das 
Kohr seiner Pfeife rauchlos im Munde. 
Der Landwirt Vormann, der alles aus seinem Fenster mitam 
gesehen hatte, trat jetzt auf Konrad zu und fragte ihn: „warum 
rauchst du nicht? hast du deine Pfeife zerbrochen?" 
„Kein, sie ist nur da 1)inabgerutici)t; aber ich will die Gäule 
nicht aufwecken, will lieber warten, bis es wieder ins Feld geht." 
„Du bist ein braver Knecht," sagte Vormann und reichte ihm 
die eigene silberbeschlagene pfeife aus dem Munde. „Da, nimm und 
behalte das zum Dank dafür! Ts wird dir gut gehen; denn wer die 
Kuhestunden eines Tieres schont, der ist auch rechtschaffen gegen Men¬ 
schen. wir bleiben hoffentlich lebenslang beieinander."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.