Full text: Lesebuch für die Oberstufe der evangelischen Volksschulen des Herzogtums Oldenburg

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19 Der Knabe liegt am Boden; 25 Die Bitte ward gewähret, 
g schaut sein Wert nicht mehre sie schien den Herr'n gering; 
Ach Meister, wilder Meister, die Glocke ward geläutet, 
du stiehßest gar zu sehr! als er zum Tode ging. 
Erx stellt sich dem Gerichte 26. Der Meister hört sie klingen 
e klagt sich selber an so voll, so hell, so rein! 
Es tut den Richtern wehe Die Augen gehn ihm über; 
wohl um den wadern Mann. es muß vor Freude sein. 
21. Doch kann ihn keiner retten, 27. Und seine Blicke leuchten, 
und Blut dill wieder Blut; als wären sie verklärt; 
er hört sein Todesurtel er hat in ihrem Klange 
mit ungebeugtem Mun wohl mehr als Klang gehört. 
22. Und als der Tag gekommen, 28. Hat auch geneigt den Nacken 
daß man ihn führt hinaus, zum Streich voll Zuversicht, 
da wird ihm angeboten und was der Tod versprochen, 
der lehle Gnadenschmaus. das bricht das Leben nicht. 
23. Ich dank' Euch,“ spricht der Meister, 29. Das ist der Glocken Krone, 
Ihr Herren leb und wert; die er gegossen hat, 
doch eine audre Gnade die Magdalenenglocke 
mein Herz von Euch begehrt: zu Breslau in der Stadt. 
24 Laßt mich nur einmal hören 30. Die ward zur Sünderglocke 
der neuen Gloce Klang, seit jenem Tag geweiht; 
ich hab' sie ja bereitet weiß nicht, obis anderts worden 
möcht! wissen obs gelang.“ in dieser neuen Zeit. 
Wilhelm Müller. 
160. Die Boten des Todes. 
Vor alten Zeiten wanderte einmal ein Riese auf der großen Landstraße. 
Da sprang ihm plötzlich ein unbekannter Mann emgegen und nef. „Halt! keinen 
Schritt weiter! — Was?“ sprach der Riese; du Wicht, den ich zwischen 
den Engern zerdrücken kann, du willst mir den Weg vertreten? Wer bist du, 
daß du so keck reden darfst⸗· „Ich bin der Tod,“ entgegnete der andre; 
mir widersteht niemand, und auch du mußt meinen Befehlen gehorchen.“ Der 
Riese aber weigerte sich und fing an, mit dem Tode zu ringen. Es war ein 
langer, hestiger Kampf zulehzt aber behielt der Riese die Oberhand und schlug 
den Tod mit seiner Faust nieder, daß er neben einem Steine zusammensank. 
Der Riese ging seiner Wege, und der Tod lag da bestegt und war so kraftlos, 
daß er sich nicht wieder erheben bonme. „Was soll daraus werden,“ sprach 
wenn ich da in der Ecke liegen bleibes Es stirbt niemand mehr auf der 
Erde, und sie wird so mit Menschen angefüllt werden, daß sie nicht mehr Platz 
haben, nebeneinander zu stehen.“ Indem kam ein junger Mensch des Weges 
frisch und gesund, sang ein Lied und warf seine Augen hin und her. Als er 
den halb Ohnmächtigen erblickte, ging er mitleidig heran, richtete ihn auf, flößte 
ihm aus seiner Flasche einen stärkenden Trank ein und warlete, bis er wieder 
zu Kräften kam. Weißt du auch. fragte der Fremde, indem er sich aufrichtete, 
„wer ich bin, und wem du wieber auf die Beine geholfen hast?“ — „Nein,“ 
ankwortete der Jüngling, „ich kenne dich nicht.· „Ich bin der Tod,“ sprach 
ich verschone niemand und kann auch mit dir keine Ausnahme machen. 
Damit du aber siehst, daß ich dankbar bin, so berspreche ich dir, daß ich dich 
nicht unversehens überfallen, sondern dir erst meine Bolen senden will, bebor 
ich komme und dich abhole Wohlan, sprach der Jüngling, „immer ein 
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