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der Türmer. Die Sonnenuhr und vielleicht eine große Sanduhr am Rathause
haben am Tage den Verlauf der Stunden gewiesen.
Die Stadt hat ihren Markttag; am Rathause ist die rote Fahne ausgesteckt;
so lange sie hängt, haben die fremden Verkäufer das Marktrecht. Zu allen
Toren ziehen die Landleute der Umgegend herein, auch die Landbäcker und
Metzger, welche an besonderen Plätzen feilhalten dürfen. Auf Ständen, Tischen,
in Krambuden sind die Waren ausgelegt. Aber das Wertvollste war damals
in dunkeln Stuben und Gewölben der großen Kaufherren, in eisernen Truhen
und hinter festem Verschluß aufbewahrt; nur der Goldschmied stellte kleine
Becherlein und Ketten hinter die grünen Fensterrauten der Werkstatt, vorsichtig
und unter Aufsicht, damit nicht ein fremder Strolch hineinschlage und mit der
Beute entlaufe. An dem Staͤdttor wird jeder Wagen, der passieren will, von
den Torhütern sorglich beschaut. Den Karren der Landleute folgen große
Frachtwagen; ihr Inhalt ist unter einer Leinwanddecke verborgen, es ist wert⸗
volles Kaufmannsgut, eine schwere Ladung, denn viele Pferde waren nötig, den
Wagen fortzuschaffen; bewaffnete Reiter des nächsten Landesherrn haben ihn geleitet.
So knarren die Wagen und handeln die Menschen, bis die Marktfahne vom
Rathause abgenommen wird, oder ein Glöcklein den Markt ausläutet. Auf allen
Straßen ziehen die Karren und Menschen zum Tore hinaus, in der Stadt aber
dauert die Bewegung; am Abend freut sich der Bürger geschäftslos des Lebens
in den Straßen und Gassen. Straßen und Märkte füllen sich, Neuigkeiten
werden ausgetauscht, an Türen und Fenstern werden Grüße und Scherzreden
gewechselt. In den Straßen wird es finster, denn Beleuchtung gibt es noch
nicht; nur wenn vornehme Gäste im Orte lagen, und in Nächten, wo Feindes—
gefahr drohte, befahl der Rat, daß jeder eine Laterne vor sein Haus hänge,
eine Fackel oder ein Blech mit brennendem Kienholz. Die Vornehmen besuchen die
geschlossenen Gesellschaften ihrer Geschlechterstuben. Der Handwerker sucht die
Zechstube der Jnnung. In öffentlichen Schenken herrschle ein buntes Leben und
oft ein wüstes Treiben, man warf einander die Krüge ins Gesicht, stieß Tisch
und Bänke um und geriet einander in die Haare, bis der starke Wirt Frieden
stiftete. Das lustige Leben der Schenke hört auf, sobald die Ratsglocke zum
erstenmal läutet, dann müssen alle Häuser geschlossen werden, und kein Wirt
darf mehr im Hause schenken. Nach dem letzten Läuten soll niemand auf der Straße
sein, er wird angehalten und auf die Wache geführt.
Das Hämmern in der Werkstatt und der Lärm auf den Gassen ist vorüber;
nur die Stadtwache schreitet durch die menschenleeren Gassen und der Nacht⸗
wächter; reiche und arme Bürger haben die Ruhestatt aufgesucht. Dann bellen
die Hofhunde einander zu; vom Flusse her dringt die kuühle Nachtluft in die
leeren Gassen, und auf dem Turme hält der Wächter seinen Umgang und späht
in die dunkle Nachtluft, bis sein Hornruf und das Frühgeläut der klemen
Glocken das Anbrechen eines neuen Arbeitstages verkünden.
Gustav Freytag. GBilder a. d. d. Verg. Gekürzt.)
369. Rudolf von Habsburg.
Im IJalire 1273 lam der erste Rudolf, der Graf von Habsburgq,
gur Lægierung. D urde emmiitiglion pon allen Nirton gekoren,
da seiner in der Ohristenlieit not war. — Er fulirte Krieg mit dem
Konige Ottokur von Boöhmen; diesen totete er in der Sohldoht, dae
ol gegen ihn empört hatte umd seine Lehen mioht von inm empfangen
wollia — Davon r or mũohtiq; duhß die iiysten ihm dringend
Lesebuch für die Oberstufe.
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