Full text: [Oberstufe, [Schülerband]] (Oberstufe, [Schülerband])

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8. „Hinweg, hinweg den Rocken, die Spindel aus der Hand! 
Willst du von dannen ziehen und spinnst dein Brautgewand?“ 
Ihh spinn dir einen Mantel, mein Vater lieb und traut, 
Nng du mich noch liebest, mag ich nicht werden Braut 
9. Fort mit der Webespule! Webst du mein Totenkleid?“ 
Ich web dir, lieber Vater, ein schönes Feierkleid 
Z rich nicht mehr vom Sterben, sonst muß ich weinen gleich; 
du sollft nicht von uns gehen, und wär's ins Himmelreich!“ 
10. Ja, br t ihr tapf re Söhne, blieb' ich bei euch mit Lust, 
druck euch mit Stolz und Freude an die getreue Brust. 
Doch schwache Weiber seid ihr, gebannt in engen Kreis, 
mnd meln Geschlecht verblühet, ich bin sein legtes Reis“ 
Iu E sagts und schaut vom Söller mit einem finstern Blick, 
in unmutsvoller Seele beklagend sein Geschick 
Schon sinket Nacht hernieder und hüllt die Fernen ein 
da Eturm durchheult die Lüfte, und drunten braust der Rhein. 
1 Horchl an der hohen Pforte, wer klopft so spät noch an? 
„Macht auf, macht auf, Herr Ritter, eh die Verfolger nah'n!“ 
Da un sich auf die Hallen, zwei Pilger treten ein 
am Eingang bleibt der eine, wer mag der andre sein? 
13. Er snkt erschöpft zusammen, er seufzt und klaget laut, 
daß es den holden Schwestern vor solchem Gaste graut, 
Doch als er endlich wieder das greise Haupt erhebt, 
da beugt der alte Ritter vor ihm das Knie und bebt. 
11. Er ruft: „Mein Herr und Kaiser, was ist mit dir geschehn? 
Ich seh nicht mehr den Purpur um deine Schultern weh'n. 
Ich seh' nicht mehr die Krone auf deinem teuern Haupt, 
dat dich der Feind geschlagen und frevelhaft beraubt?— 
15. 1Ah, euer Waffenbruder, mich hielt ein grimmer Feind 
in Kerkernacht gefangen, wo nie die Sonne scheint. 
Dann raubt er mir den Purpur, stieß mich hinab vom Thron, 
d — beißt du seinen Namen? — der Räuber —ist mein Sohn!“ 
16. Er deckt mit beiden Händen das bleiche Angesicht — 
doch Wolf erhebt sich schweigend, vor seinem Aug' wirds Licht. 
Er fühlt sich sanft ümschlungen von seiner Töchter Arm, 
er fühlt auf seinen Händen auch eine Thräne warm 
17 Wohl din ·Nagt Kaiser Heinrich mit sanfter Stimme nun, 
„du wirst an treuen Herzen zur letzten Stunde ruhn, 
kein Sohn ersehnt dein Erbe mit wilder Ungeduld 
nd fügt zum sflillen Wunsche vielleicht die off ne Schuld. 
18. Doch auf! und ohne Säumen entsende Boten aus, 
noch stehet Köln in Treue zum alten Kaiserhaus. 
Und morgen mit der Sonne zieh ich hinab am Rhein, 
nd bald zum wilden Kampfe will ich gerüstet sein.“ 
I9. Er schweigt und sinkt aufs Lager zur langersehnten * 
hald schließt ein sanfter Schlummer die müden Augen zu 
Ddoch Wolf druckt seine Tchter ans Herz zur guten Nächt 
dann hält er bei dem Schläfer getreue Ritlerwächt.
	        
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