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der Hauseigentümer für die Zuleitung des Wassers nach den ein—
zelnen Stockwerken mindestens ebenso hoch veranschlagt werden.
Rechnet man die Ausgaben, die der Stadt und den Anwesens⸗
besitzern für die mit der Wasserversorgung im innigsten Zusammen—
hang stehende Kanalisation mit 131/ bzw. 14 Millionen Mark er—
wuchsen, hinzu, so ergibt sich der Riesenbetrag von 50 Millionen
Mark, der in verhältnismäßig kurzer Zeit für die Sanierung Muün⸗
chens durch Zu⸗ und Ableitung des Wassers bestritten wurde.
Wohl ist dies eine gewaltig hohe Summe, aber nicht zu hoch
im Vergleich zu dem ungeahnten Aufschwunge, den unsere Stadt
seitdem genommen, zu den staunenerregenden Erfolgen, die in
gesundheitlicher Beziehung dadurch erzielt wurden. Die Zahl der
Sterbefälle, die gegen Ende der 60 er Jahre noch so hoch war,
daß man meinen konnte, der Tod wolle sich seine Opfer nach dem
landesüblichen Zinsfuße berechnen, ist von 88—42 auf das Tausend
bis auf 22 im Jahre 1894 zurückgegangen. Der Typhus, der
sich ehedem München zur Heimstätte seines verderbenbringenden
Wirkens erkoren und 1866 bei einer Zahl von 155000 Einwohnern
444 und im Jahre 1872 bei einer Seelenzahl von 180 000 noch
407 Menschenleben dahinraffte, ist im Jahre 1894 bei einer Seelen
zahl von 390 000 nur in 10 Fällen Todesursache gewesen.
Wenn Handel, Gewerbe und Verkehr sich zu ehedem unge—
ahnter Blüte entwickelten, wenn alljährlich viele Tausende von
Fremden sich ohne Sorge für ihr Wohlbefinden den reinen Ge—
nüssen hingeben können, welche die Pflege der Kunst auf verschie⸗
denen Gebieten idealen Strebens in reichster Fülle darbietet, wenn
die innere Ausgestaltung unseres Gemeinwesens mit dem Pracht⸗
gewande, das ihm sein größter Wohltäter, König Ludwig J., ge—
geben, sich immer mehr zu schöner Harmonie vereinigt, so verdankt
dies München alles mittelbar oder unmittelbar dem Wasser und
begeistert darf es heute in die herrlichen Worte Goethes einstimmen:
„Heil! Heil! aufs neue,
wie ich mich blühend freue,
vom Schönen, vom Wahren durchdrungen
alles ist aus dem Wasser entsprungen.
Alles wird durch das Wasser erhalten,
Ozean gönn uns dein ewiges Walten,
wenn du nicht die Wolken sendetest,
Die Ströme nicht vollendetest,
was wären Gebirge, was Eb'nen und Welt,
du bist's, der das frischeste Leben erhält.“
Dr. Wilhelm v. Borscht.