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der gleiche Tod bevor. Hast du gegen Gott gefehlt, so sei reuig; er ist
barmherzig."
Richard hatte, ehe er England wiedersah, noch viel Ungemach auszustehen;
der Fluch seines Vaters ruhte nicht. Ein Sturm trieb ihn ins adriatische
Meer, und als er in der Nähe der deutschen Küste war, litt er zwischen
Venedig und Aqnileja Schiffbruch. Es blieb ihm nichts Anderes übrig, als
durch Deutschland zu reisen; da er aber zuerst durch Oesterreich gehen mußte,
und hier sein Feind, Herzog Leopold, wohnte, so lag ihm Alles daran, un-
erkannt zu bleiben. Deshalb zog er ein Pilgerkleid an, und hoffte, daß man
ihn nicht entdecken würde. Aber in Wien war er so unvorsichtig, mehr Aust
wand zu machen, als,man von einem armen Pilger erwarten konnte. Man
wurde aufmerksam auf ihn, und — erkannte ihn. Leopold ließ ihn gleich
sestnehmen, und da der deutsche Kaiser, Heinrich VI., ein Sohn Fried¬
richs I., den Richard auch als seinen Feind ansah, weil er (Richard) mit
Tankred von Sicilien gegen Heinrich im Bunde war, so gab er dem Herzog
eine Geldsumme für den Gefangenen, und nahm ihn in eigene feste Ver¬
wahrung, erst in Trifels in Rheinbaiern, dann in Worms, zuletzt in Dürn¬
stein an der (linken) Donau. (Die Burgruine steht noch.)
Was Richard bei seinem ungeduldigen und heftigen Charakter in dem
Gefängnisse empfand, läßt sich denken, besonders da er erfuhr, daß sein
schändlicher Bruder Johann sein Unglück benutzte, die Krone von England an
sich zu reißen, und deshalb mit Philipp August ein Bündniß geschlossen hatte,
dem er dafür den östlichen Theil der Normandie überlassen wollte. Ein Glück
war es für Richard, daß die getreuen Engländer den Johann durchaus nicht
annehmen wollten, und auch Philipp August sich nicht so schnell, als er ge¬
dacht hatte, der Normandie bemächtigen konnte. Wer weiß, ob Kaiser Hein¬
rich jemals Richard wieder losgegeben hätte, wenn nicht der Papst dazwischen
getreten wäre. Dieser drohte mit dem Banne, wenn er ihn nicht losließe.
Heinrich ließ sich ein Lösegeld von 50,000 Mark bezahlen, und Richard reiste
nun nach einer Gefangenschaft von länger als einem Jahre eilig nach Eng¬
land zurück. Keiner erschrak mehr als Johann. Die erste Nachricht bekam
er durch den König von Frankreich, der ihm nur die wenigen Worte schrieb:
„Nehmt euch in Acht; der Teufel ist wieder los." Es blieb ihm nichts An¬
deres übrig, als seinen Bruder um Verzeihung zu bitten, um sich seiner Groß-
muth zu überlassen. Er fiel ihm zu Füßen, und erhielt Vergebung. „Ich
vergebe dir," sprach Richard, „und hoffe, daß ich deine Beleidigung eben so
bald vergessen werde, als du meine Gnade."
Mit Frankreich mußte Richard einen Krieg führen, dessen Ende er nicht
erlebte. Er wurde im Kriege gegen den Vicomte von Limoges bei der Be¬
lagerung eines festen Schlosses (Chalus bei Limoges) durch einen Pfeil tödtlich
verwundet, und starb 1199.
Sein Bruder Johann ohne Land (1199 — 1216) bestieg nun den
englischen Thron, obgleich Arthur, Herzog von Bretagne,^ der 12jährige
Sohn jenes Gottfried, der vor seinem Vater Heinrich II. gestorben war, ein
näheres Recht hatte. Aber Johann schaffte ihn auf die Seite. Der unglück¬
liche Jüngling war in seine Hände gefallen, und verschwand in einem festen
Schlosse bei Rouen; ein Gerücht gab an, daß Johann ihn mit eigener Hand