§ 112. Österreichisch - ungarische Monarchie.
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Leopold stadt, auch zwei große Gärten oder Lustwälder mit frischen
Rasenplätzen und kräftigen Baumreihen, der Augarten und der be¬
rühmtere und besuchtere Prater.
In neuerer Zeit ist mit Wien eine große Veränderung vorgegangen.
Die Basteien und Tore sind verschwunden, das Glacis ist bebaut und die
Stadt mit jenen Vorstädten völlig zusammengeflossen. Das Ganze gilt als
eine Stadt, 180 qkm deckend; auf dem ehemaligen Glacis umschließt die
Altstadt die breite und prächtige Ringstraße mit einer Reihe herrlicher
Bauwerke, wie Rathaus, Parlamentsgebäude, Universität, Museum, und
vor diesem das Monument Maria Theresias. Die Hochquellenleitung ver¬
sorgt die Stadt mit dem schönsten Alpenwasser vom Fuße des Schneeberges
(§ 96, 3, a) her.
Durch seine wunderschönen Umgebungen im W. und S., durch so viele
Sehenswürdigkeiten, durch Schätze der Kunst und Wissenschaft, durch den
heiter gemütlichen Sinn feiner lebensfrohen Bewohner ist Wien ein in viel¬
facher Hinsicht angenehmer Aufenthalt, dazu bedeutende Universität und
wichtige Fabrik- und Handelsstadt, die namentlich ausgebreiteten Handel
nach den unteren Donauländern, der Türkei und Kleinasien treibt. — Ganz
in der Nähe (s.w. von Wien) das kaiserliche Lustschloß Schönbrunn
mit herrlichem Park. 15 km südlich von Wien das Schloß Laxenburg,
nordöstlich auf dem linken Donauufer A s p e r n , und weiter hin W a g r a m,
Schlachten 1809.
Schon seine Lage macht Wien zur Hauptstadt der Monarchie. Es liegt
aus einem Punkte, wo die drei österreichischen Hauptnationalitäten (Deutsche,
Magyaren, Slaven) zusammenstoßen, wo die Alpen nicht zu schwierige
Wege nach Italien bieten (zwei Eisenbahnen führen von hier ans Adriatifche
Meer), wo das nahe Marchtal die bequemste Verbindung nach N. darbietet,
dazu an dem Strome, der das Reich von West nach Ost durchzieht und fast
aus dem ganzen Reichsgebiet seine Wässer empfängt.
Im Süden von Wien Baden, durch seine Bäder und schönen Um¬
gebungen berühmt. Wiener-Neu st adt an? — 28 000 E. An der
Grenze von Steiermark übersteigt die von Wien nach Triest führende S ü d -
bahn, die älteste der Alpen-Eisenbahnen, in einem überaus großartigen
und kunstvollen Bau den 896 m hohen Semmering.
Bis Passau auswärts sind die Ufer der Donau von einer großartigen
Schönheit und einer romantischen Wildheit, wie sie der Rhein nicht erreicht.
An dem Strome liegen mehrere sehr reiche und um die Wissenschaften wohl¬
verdiente geistliche Stiftungen, meist mit reichen Bücherschätzen, so unweit
Wien Klosterneuburg mit dem Grabe des heil. Leopold, des Schutz¬
patrons von Österreich, flußaufwärts Melk u.a.
2) Erzherzogtum Österreich ob der Enns (Oberöster¬
reich), 12 000 qkm, 810 000 E. (§96, 97).
Die Hauptstadt Linz, an der Öffnung des Donautals zu einer
fruchtbaren Ebene, dem Linzer Becken. Wichtiger Flußübergang von dem
kohlenreichen, aber salzlosen Böhmen nach dem umgekehrt begabten Salz-
kammergut und Steiermark; zusammen mit dem jenseit der Donau liegenden