Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband])

römischen Händlern gekauft, die von Hof zu Hof ziehen; ein leibeigener 
Knecht war der Kaufpreis. Sie zankt eben eine Magd aus, die das 
Herdfeuer ausgehen ließ. Die Magd springt fort nach dem Feuerzeuge. 
Sie bringt ein eichenes Brett und einen Espenpflock, der an einem 
Bastfaden häna: Sie steckt den Pflock in das Loch und dreht ihn mit 
dem Faden ran um. Zwei Stunden lang setzt sie das fort. Endlich 
bildet sich Kohlenpulver, das glühend wird. Ein Feuerschwamm wird 
entzündet, ein Büschel Stroh wird gebracht und dieses durch Blasen 
und Schwingen in Brand gesetzt. Jetzt lodert wieder die Flamme auf 
dem Herde, und der Rauch erfüllt das Haus. 
In der Nähe des Hauses sitzen an einer gewaltigen Steinplatte 
vier Männer. Es sind mächtige Gestalten. Ihren blitzenden Augen 
merkt man es an, daß sie keinen Feind fürchten, und aus ihren 
gebräunten Eesichtern sieht man, daß sie weder Wind noch Wetter 
scheuen. Sie sind nackt bis auf das Vären- oder Wolfsfell, das ihnen 
als Mantel dient, und das am Halse durch einen fingerlangen Schleh— 
dorn zusammengehalten wird. Wäre nicht das menschliche Antlitz und 
die menschliche Stimme und das volle, goldige Haar, das weit herunter— 
hängt, so könnte man auf den Gedanken kommen, man sei in einer 
Gesellschaft wilder Tiere; denn statt der Mützen haben die einen Kopf— 
häute von Bären auf, und von den Häuptern der andern grinsen dich 
weit aufgesperrte Wolfsrachen an, oder neigen sich drohend die Hörner 
des Auerochsen nach dir hin. An der linken Seite jedes Mannes lehnt 
der Schild; e mannshoch und aus Weidenruten geflochten; auf der 
rechten Seite At der Spieß im Fußboden. 
Was d.« Männer treiben, kann man aus den Würfeln sehen, 
welche bald aus der einen, bald aus der anderen Faust über den 
steinernen Tisch dahinrollen. Sie spielen, aber nicht um Geld, sondern 
um ihre Pferde und Rinder, und wenn diese verloren sind, um ihre 
Knechte und Mägde; sind diese hin, um ihre Kinder und ihr Weib, 
und zuletzt setzen sie selbst ihre eigene Freiheit auf einen Wurf ihrer 
Hand. Ein Knecht, von den übrigen leicht durch die kurz verschnittenen 
Haare zu unterscheiden, hat vollauf zu thun. um die Trinkhörner zu 
füllen. 
Das Spiel ist zu Ende; aber die Männer bleiben sitzen, um zu 
essen. Eine der Wägde trägt eine große, thönerne Schüssel mit Hafer— 
mus auf. Das Hauptgericht bilden aber die Keulen eines ungeheuren 
Bären. Gestern erst haben ihn die Männer erlegt, nachdem sie über 
Berg und Thal seiner Fährte stundenlang nachgezogen waren. 
Durch Knechte ist der leckere Braten zubereitet worden; an großen 
Holzspießen haben sie am hellen Feuer die großen Stücke hin- und her— 
Deutsches Lesebuch. B. II. 7. Aufl. 
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