258
K. Aus der Sage und Geschichte des deutschen Volkes.
irdenes oder hölzernes Geschirr. In der Mitte des weiten Raumes steht
ein gewaltiger Herd. Der ist das Heiligtum des Hauses; da wird
gegessen, geruht und von Abenteuern erzählt; da betet der Hausherr als
Hauspriester für die Seinen zu den Göttern. So einfach sah es in den
Hütten der alten Deutschen aus. In einem gesonderten Gemach stand
höchstens noch ein Webstuhl neben aufgehäuften Garn- und Wollvorräten.
Auf dem Hofe sah man wohl einen einfachen, zweirädrigen Karren, einen
noch einfacheren Pflug und wenig andres Ackergerät.
4. In den ärmlichen Wohnungen aber hauste ein urkräftiges Geschlecht.
Da sah man Männer von hoher Gestalt, trotziger Haltung und großer
Kraft, geziert durch hochgelbes Haar, weiße Haut, blaue, wild und feurig
blickende Augen. Sie lebten mit ihrer Familie und ihren Knechten auf
ihrem Gehöfte inmitten ihrer Feldmark. Nur wer ein solches festes Eigen⸗—
tum hatte, war vollfrei. Als Hausherr war er über Weib und Kind, über
seine jüngeren, gutlosen Brüder und über die leibeignen Knechte Vormund.
Diese standen unter seinem Schutze; die Brüder durften jedoch wie der
Hausherr Waffen führen. Wie brachte wohl solch ein freier Deutscher seine
Tage zu? Er hat sich von seiner Bärenhaut erhoben und sein Hafermus
genossen, das aus gerösteten, zwischen Steinen zerriebnen Haferkörnern zu⸗
bereitet war. Nun geht er nicht etwa an seine Arbeit, vielleicht aufs Feld
oder zum Hüten der Herde; er arbeitet auch nicht im Hause; nein, hinaus
geht's in den Wald. Bekleidet war er mit einem linnenen oder wollnen
Gewande; oder er hatte ein Tierfell umgehängt, das von einer Spange am
Halse zusammengehalten wurde. Im übrigen ging er nackt. So kümpfte
er als ein wilder Jäger mit dem Auerochsen, dem Bären und dem Wolfe;
das war seine Lust. Oder er ging zur Gerichtsstätte, wo die Freien
des Gaues zusammenkamen, um zu ratschlagen oder unter dem Vorsitze
des Grafen Übelthäter zu richten Daran schloß sich oft ein fröhliches
Trinkgelage und leidenschaftliches Würfelspiel. Am liebsten jedoch war
es den freien Männern, wenn es in den Krieg ging. Denn Krieg war
ihre Lust, und oft lagen sie miteinander selbst im Streite. Sie waren
aber ehrlich, treu und keusch, herbergten gern, hielten ihre Götter, Priester,
Frauen und das Alter hoch und heilig und liebten unbeschränkte Freiheit
über alles.
5. Daheim besorgten unterdes die Frauen, Töchter und Knechte
die Haus- und Feldarbeit. Die Weiber webten und schneiderten, ernteten und
buken unter Beihilfe der leibeignen Knechte. Einen besondern Handwerker—
stand gab es nicht; die Leibeignen verstanden die nötigsten Handwerke; sie
gruben, schmelzten und verarbeiteten die Metalle, drehten Seile und strickten