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„Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?“
„Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind!
In dürren Blättern säuselt der Wind.“ —
—ud, feiner Knabe, du mit mir geh'n?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reih'n
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“ —
„Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erllönigs Töchter am düstern Ort?“ —
„Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau;
Es scheinen die alten Weiden so grau.“ —
„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt.“
„Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
Erllönig hat mir ein Leid's gethan!“ —
Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Müh' und Noth;
In seinen Armen das Kind war todt.
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he.
15. Die wandelnde Glocke.
1. Es war ein Kind, das wollte nie
Zur Kirche sich bequemen,
Und Sonntags fand es stets einWie,
Den Weg in's Feld zu nehmen.
2. Die Mutter sprach: die Glocke
tönt,
Und so ist dir's befohlen,
Und hast du dich nicht hingewöhnt,
Sie kommt und wird dich holen.
3. Das Kind, es denkt: die
Glocke hängt
Da droben auf dem Stuhle.
Schon hat's den Weg in's Feld
gelenkt,
Als lief' es aus der Schule.
4. Die Glocke Glocke tönt nicht mehr,
Die Mutter hat gefackelt;
Doch welch ein Schrecken hinterher!
Die Glocke kommt gewackelt.
5. Sie wackelt schnell, man glaubt
es kaum;
Das arme Kind im Schrecken
Es läuft, es kommt als wie im
Traum;
Die Glocke wird es decken.
6. Doch nimmt es richtig seinen
Husch,
Und mit gewandter Schnelle
Eilt es durch Anger, Feld und Busch
Zur Kirche, zur Kapelle.